So, heute mach ichs kurz. Vielleicht. Alles Bestens, ich lebe mich zunehmend ein und alle sind zufrieden. Nur die Schuldirektorin macht noch nicht den Eindruck, als sei sie mit uns zweien sehr glücklich – wahrscheinlich interpretiere ich auch die Mimik falsch, denn sie spricht zwar deutsch, aber ist Japanerin denke ich.
Trotzdem, vormittags leichte Aufgaben am PC unter viel Betreuung, nichts wobei man sich verausgabt, aber wir wollen ja auch eher kommunizieren und die japanische Kultur kennen lernen, also ist es nicht schlimm. Dann Mittagessen mit den Sensei und zum Glück auf eigene Kosten. Etwas irritiert waren Jolinka und ich auf die direkte Frage, wie viel Geld wir fürs Essen ausgeben können. Wir hätten vielleicht nicht mit „egal“ antworten sollen, denn das schien für Erheiterung zu sorgen. Also sagten wir, das Gleiche wie der Praktikant. So gab es für 850 Yen (6 Euro) ein sehr leckeres klassisches Mittagessen mit Reis, Misosuppe und Gemüsen.
Nachmittags war Höflichkeitsbesuch beim Bürgermeister angesagt, das bedeutet ich bin jetzt Freundschaftsehrenbürger der Stadt Utsonomiya. Yay, man fühlt sich sehr geehrt. Da sahen sich das dutzend Deutsche Praktikanten in Utsonomiya mal endlich wieder, denn wir haben null Kontakt untereinander. Natasha wurde gezwungen, im Kimono zu erscheinen, doch der Kunstfaserstoff war alles andere als kühl, obwohl es hier mittlerweile dezent herbstlich wird (nur noch 25 statt 30 Grad oder so).




Wir waren auch im lokalen Schrein Utsonomiyas. Dieser befindet sich mitten in der Stadt auf einem grünen Hügel gelegen. Sehr ästhetisch, leider wird die Ansicht grade von einem neuen Hochhaus zugebaut, so verkündet stolz ein Werbeplakat der Baufirma.






Anschließend haben ich und meine Praktikumskollegin eine Einladung eines Gastvaters zum Umtrunk ausschlagen müssen, was sich als delikate Angelegenheit herausstellte. Denn wir wurden anschließend durch die Stadt begleitet (ganz zufällig auf dem gleichen Weg) was uns gezwungen hat, wieder in die Schule zurückzukehren, in der wir eigentlich gar nicht mehr erwartet wurden. Dort mussten wir uns dann die nächste Begründung überlegen, weshalb wir wieder aufgetaucht waren. Ich hoffe, das hat keine Konsequenzen… Aber was auch immer passiert, es ist alles nur eine große Übung in einer fremden Kultur.
Zwischendurch grüßten uns drei junge Kerle auf dem Fahrrad mit Hallo an, einfach so. Sie waren nur neugierig, aber es zeigt sich sehr, dass Fremde in Japan immer noch sehr speziell sind. Wir fragten sie dann auch gleich nach dem nächsten Internetcafé. Dort musste ich mir für das gratis Internet einen Freischaltcode durch Eingabe der Mailadresse an meine Mailadresse schicken lassen. Ähhhh… da ich kein Internethandy habe wie jeder Japaner war dann die Lösung, die Mail am Festrechner zunächst abzuholen um dann den Laptop zu benutzen. Der Kellner war sehr hilfreich, wie die meisten Leute, vor allem Angestellte, es in Japan sind.
Deutschland ist nicht nur eine Servicewüste, Deutschland ist meiner Meinung nach in der Steinzeit, was zwischenmenschliche Beziehungen angeht. Ich stelle ständig fest, dass die Leute hier entweder gekonnt ignorieren (oder tatsächlich die Straßenseite wechseln) viel häufiger aber interessiert bis neugierig gucken und auch grüßen. Vor Allem, nachdem man im Bus Platz gemacht hat. Hallo!? Ab morgen fahre ich dann mit dem Fahrrad auf viel zu niedrigem Sattel in die Stadt. Geht dreimal schneller als Bus, der drei Runden extra dreht.
Heute habe ich etwas spät das Internetcafe entdeckt. Dann musste ich auch schon wieder zurück, und bin trotzdem zu spät gekommen. Ich hatte mich nicht etwa auf dem Rückweg im Dunkeln verfahren, sondern in 50 Metern Entfernung vom Haus ca. 15 Minuten lang das Haus gesucht, da in den Straßen an dem Hügel, wo ich wohne, alle Häuser ähnlich aussehen. Das war so gar nicht gut, der Gastpapa war nicht begeistert. Aber da ich gestern eine ganze Wassermelone mitgebracht hatte, hielt sich die Empörung, dass ich erst 7:45 statt 7:30 Uhr zu Hause war, in Grenzen.
Ich frage mich aber langsam, wie diese Berichte auf die Deutschen wirken, die mit allen Erdenklichen Freiheiten ausgestattet das hier lesen. Man muss dazu sagen, dass andere Praktikanten jüngere Gasteltern haben, die ihnen auch mehr Freiheiten einräumen. Aber ich habe damit kein Problem, denn nach um 20 Uhr war ich sowieso todmüde. Den ganzen Tag japanisch interpretieren geht tierisch auf die Knochen. Kleiner Witz am Schluss: Mein Fahrradweg in die Stadt, obwohl sehr direkt, führt nicht absolut unzufällig an mindestens zwei Polizeistationen vorbei… von denen gibt es hier aber sehr viele und sehr kleine. Oyasuminasai!