Stellt man sich in Japan zur richtigen Zeit an die richtige Kreuzung, kann man ein interessantes Phänomen beobachten. Eine Schaar von uniformierten Schulmädchen auf dem Weg in die Shoppingmeile oder nach Hause, stets begleitet von einer Schaar uniformierter Schuljungen, wird im Takt der Ampel auf die Straße geworfen. Immer sind es Grüppchen, die lachend und feixend den restlichen Nachmittag damit verbringen, neue Anhängsel für ihre Handystraps zu kaufen, Purikuris zu schießen oder einfach in den zahlreichen Spielhallen mit dem UFO-Catcher ein bisschen Geld liegen zu lassen. „Ich hab mich heute mit der kleinen Schwarzhaarigen unterhalten“ ist bei den ausländischen Gästen ein oft gehörter Spruch.
Schlagwort: Schulmädchen
Fang die Nudel
Kleines und vermutlich eins der letzten Updates aus Japan, denn wir haben Mittwoch Abend. Heute waren wir nochmal in Töpferei-Town Mashuko (oder so ähnlich) und haben uns die Finger schmutzig gemacht. Nicht der erste Ausflug mit unseren Mentoren der Medienschule, die das auch gleich öffentlich ausschlachtet – auf dem ersten Foto sieht man uns neben dem Maskottchen der Schule, auf dem letzten Bild vor dem Gebäude der Präfekturverwaltung Tochigi in Utsonomiya.
Eines vorweg: Sorry, dass es zur Zeit so wenig Fotos gibt. Den ganzen Tag in der Schule sitzend muss man abends die Zeit zum Shoppen und Rumfahren nutzen. Wenn es dann mal Ausflüge gibt, sehe ich nicht den Sinn, irgendwelche Sake-Fabriken zu fotografieren. Aber auch sonst habe ich keine Ruhe, die wichtigen Dinge des Lebens zu fotografieren, und dieses Bild nur mal als Beispiel wie man es nicht macht.
Ich hab noch nie mit Drehscheibe getöpfert, und im Schneidersitz werd ich es auch nicht noch einmal. Nach der halben Stunde bin ich kaum mehr hochgekommen. Ich versteh nicht wie manche Leute so sitzen können. Ich konnte es die letzten Wochen auch gut vermeiden. Na, jedenfalls habe ich so fünfeindrittel runde gefässähnliche Gegenstände hervorgebracht die mir die Lehrer unserer Schule, welche diesen Spaß veranstaltet hat, dann nach Deutschland schicken werden. Gegen jeden Protest, der natürlich sinnlos war.
Anschließend haben wir Nudeln gefangen. Nagashi Somen zu essen ist schon eine kleine Herausforderung. Es wird derjenige satt, der mit Stäbchen am Besten umgehen kann. Außerdem eine gute Gelegenheit zu beweisen, wie gut entwickelt oder auch bei manchen Gästen unterentwickelt das Gespür für Rücksichtnahme gegenüber den anderen am Essen teilnehmenden ist, denn alle essen aus dem gleichen Topf und der ist irgendwann alle.
Der weitere Plan für den Rest meines Japans sieht aus wie folgt: Donnerstag wird Kuchen gebacken für die Lehrer in meiner Medienschule, wo ich Praktikum mache seit drei Wochen. Natürlich nach dem Unterricht bis 5 Uhr Nachmittags. Freitag nochmal Unterricht und danach Souvenirs einkaufen. Mama und Papa haben gefragt, ob ich auch für alle schon was habe und haben sich anschließend den Rest des Abends den Kopf zerbrochen, was man wem mitbringen könnte. Ich habe versichert, dass meine Freunde schon gut versorgt sind. Denn das Souvenir ist das Image Japans in der Aussenwelt, haben sie gemeint. Freitag abend ist Abschlussparty in Utsonomiya, Samstag Mittag gehts nach Tokio. Abends werden wir wohl was mit unseren japanischen Freunden aus der Youth Week etwas unternehmen, Sonntagist freie Gestaltung und Abends Abschlussparty aller Teilnehmer. Montag gehts nach Deutschland zurück. Das heisst, vermutlich ab Samstag keine Blogeinträge mehr bis Dienstag.
Zurück zur Kultur. Überhaupt sind die Erklärungen für manche Dinge sehr interessant. So fragte ich, was es mit dem Bambusstab auf sich hat, der mit fließendem Wasser an einer Aufhängung für ein stetes wiederkehrendes hohles Klopfgeräusch sorgt. Ich kenne das bisher nur aus Anime, aber ich habe das auch schon hier in Japan gesehen, allerdings selten. Erklärt wurde mir der Sinn nach kurzem Lachen („Weshalb? Haha…“ a la: Wie kann man nur nach dem Wieso fragen) folgendermaßen: Die Japaner haben ein ruhiges Herz und ein ruhiges Wesen, die Stille ist ihnen ein hohes Gut und Ort der Konzentration. Der Stab symbolisiert den langsamen Herzschlag der Natur. Sehr spannend, ich werde jetzt nicht nachschlagen, wozu der Stab wirklich da sein könnte oder was andere Gründe sein könnten.
Ebenfalls interessant ist das Sozialverhalten der Schüler. Während der Unterrichtszeiten ist ein Kontakt nur schwer möglich, da diese sich dann in einer Art Schüler-Rolle befinden. Es mag ebenfalls daran liegen, dass sie nicht vor dem Rest der Gruppe ein Gespräch mit Deutschen anfangen werden. Auch befinden wir uns hier in Utsonomiya offenbar im Äquivalent eines Dorfes. Verglichen mit Tokio definitiv, denn die jungen Leute hier sind schüchtern wie sonstwas. Der Lehrer muss sie zum Teil erst zwingen, sich mit uns zu unterhalten.
Sitzen die Deutschen zu dritt zusammen, ist an einen Kontakt gar nicht mehr zu denken. Deswegen bin ich auch sehr enttäuscht, dass ich (pardon aber es ist nun einmal so) einen Ur-Deutschen als Klassenkameraden habe. Das führt dazu, dass ich nicht nur neben einem Deutschen im Unterricht sitze, sondern auch noch dazu genötigt werde, auf ihn zu warten, mit ihm Mittag zu essen und Sonstiges aus Höflichkeit oder Rücksichtnahme zu tun. Dies ist allerdings gar kein Vorwurf an ihn, sondern einfach eine unglückliche Situation. Was man vorwerfen könnte, wäre mangelhaftes Taktgefühl, denn nach den zum Teil sehr teuren Ausflügen der Lehrer mit uns kauft man als Abschiedsgeschenk einfach nicht im 100 Yen (1-Euro) Shop ein, sondern beisst eben mal in den sauren Apfel und gibt für die 50g-Tafel Lindt-Schokolade oder den Mini-Riegel Toblerone 3 Euro aus. Allerdings haben wir jetzt eine Lösung.
Und bitte erinnert mich daran, die Japaner beim Deutschlandbesuch vom Fahrradfahren abzuhalten, die überleben das nicht. In Japan gibt es kein schwarzweiß-Denken. Die Regel, dass man auf dem Fussweg nicht Fahrrad fährt oder auch Links-vor-Rechts im Straßenverkehr sind hier Dinge, die generell missachtet werden, wenn es die Situation erfordert. Dies ist zum Beispiel immer der Fall, wenn auf dem Fussweg noch ein paar Zentimeter Platz für ein Fahrrad sind.
Das ist übrigens mein Lieblingsgeschäft, ich habe offenbar ein untrügliches Gespür für Süßes, denn ich habe mindestens den besten Tayaki-Shop der Präfektur aufgetan, so sagte man mir. Gefüllt wahlweise mit Vanillepudding oder süßen Bohnen. Die mit deutscher Kartoffelfüllung habe ich nicht probiert. Nach ein paar Stunden schon sind sie aber leider nicht mehr knusprig.
Utsunomiya Street Shots
Heut nur Schule und Shoppen (das geplante Kimonogeschäft hatte zu, ebenso das Cosplay-Café), also schleppten uns unsere zwei Lehrer – beide jünger als ich – in das größte Kaufhaus der Stadt. Erste Street Shots. Mist, die Kleine hats gemerkt, hoffentlich petzt sie den bösen Gaijin nicht.
Das Foto der Staffelei zeigt ein Gemälde eines Schülers meiner Kunst- und Medienschule. Die letzten zwei Fotos zeigen den Ausblick aus meinem Zimmerfenstern kurz nach dem Taifun.
Kulturelle Tretminen 2
Dieser Artikel wird mehrere Tage verzögert publiziert. Denn mittlerweile habe ich Internet.
Erster Schultag. Um 6:45 Uhr aufgestanden. Ich mache Praktikum in einer Medien- und Kunstschule. Die Zeitverschiebung ist wirklich hilfreich, ich weiß aber nicht wieso, denn wir sind Deutschland ja sieben Stunden voraus, nicht hinterher. 7:15 Uhr Frühstück extra von Mama zubereitet. Es gab warmes Weißbrot mit Marmelade, Pilzen und einen Gemüseteller. Ich muss aufpassen, mich nicht dran zu gewöhnen. 8 Uhr zum Bus, 8:10 Uhr in der Stadt angekommen. Ich muss in der Schule um 9 sein und laufe 5 Minuten von der Bushaltestelle dahin, aber obwohl Papa das mit der Stoppuhr gemessen hat, unter Grinsen von Gastmama, darf ich nicht den Bus um 8:26 Uhr nehmen.
Okay, macht nichts. Eine halbe Stunde verbringe ich gerne auch damit, die äußerst adretten Uniformen anzuschauen, die radelnd und laufend durch die Gegend huschen auf dem Weg in die Schule. Komischerweise sind es weitaus mehr Mädchen als Jungs. Das hat jetzt auch erst mal gar nicht so viel mit irgendwelchen unanständigen Gedanken zu tun, die sich zweifelsohne aufdrängen. Es sieht wirklich einfach nur äußerst extrem wahnsinnig schick aus und ist irgendwie witzig, denn vor allem morgens und nachmittags gehört es zum Stadtbild dazu wie in Deutschland der Radfahrer.
Darüber hinaus sehen die jungen Japanerinnen tatsächlich wie aus einem Anime geschnitten süß aus, zusammen mit den eleganten Frauen auf dem Weg zur Arbeit und den Männern, die alle oben weiß unten schwarz tragen. Es vermittelt ein Gefühl von Ehrfurcht vor diesem Land und diesen Menschen, mir kommt Europa zunehmend chaotisch, barbarisch und rüpelhaft vor (Entschuldigung). Um noch ein wenig bei dem Thema Mode zu bleiben: Die ist hier ebenfalls sehr wichtig. Gut gekleidet zu sein ist wichtig und man wird sich bereits Underdressed vorkommen, wenn man auf der Straße in kurzen Hosen rumgurkt. Das Stadtbild ist hier auch von kurzem Rock und allen Arten und Längen von Kniestrümpfen geprägt, was hier sehr elegant aussieht.
Trotzdem zögere ich meine Kamera zu offensiv zu benutzen, nicht nur dafür. Ebenso wie ich zögere auf offener Straße auffällig etwas zu essen oder Leute zu lange anzustarren. Das macht man hier einfach nicht, auch wenn alle sehr freundlich sind. Ich bleibe aber trotzdem immer der Fremde, der gerne auch mal ignoriert wird oder von Jüngeren neugierig-grinsend angeschielt wird.
Okay, also um 9 angekommen in der kleinen privaten Medienschule mitten in der Stadt werden ich und Jolinka erst einmal begrüßt und den Sensei (Lehrern) vorgestellt. Meishi (Visitenkarten) werden auch ausgetauscht. Ich merke, dass ich mir japanische Namen einfach nicht merken kann… Zum Glück kann die Lehrerin gut deutsch, denn meine Klassenlehrer können es gar nicht. Das wird bestimmt lustig. Ebenfalls vorgestellt wurden wir zwei dem Praktikanten, der den Rest des Vormittags erst einmal damit verbrachte, uns Utsonomiya zu zeigen. Wir schauten und also die lokale Shoppingmeile an und den sehr schönen Schrein. Anschließend hab es Essen, natürlich diesmal auf Kosten der Schule (hoffe ich jedenfalls, dass nicht unser Praktikant das bezahlt hat).
Nach einer japanischen Führung durchs Rathaus, von der ich und Jolinka genau gar nichts verstanden aber immer eifrig nickten und zustimmten, damit es endlich weiterging, besuchten wir noch kurz einen Anime- und Mangashop. Natürlich hatte ich schnell herausgefunden, dass der Praktikant auch auf Anime steht – wenn auch auf die Sorten, die ich so gar nicht gern sehe. Immerhin, einer der Lehrer erkannte die Lucky Star Figuren bei der Rückkehr. Sie wollten wissen, was wir gekauft hatten, doch zunächst wollte ich damit nicht rausrücken. Immer noch bin ich sehr auf der Hut vor jedweden Fettnäpfchen. Auch die Kommunikation mit Jolinka musste am Morgen zunächst den Formalitäten und Begrüßungen weichen. Später war es dann aber ein netter Rundgang durch die Stadt zu dritt, und ab 14 Uhr war dann frei. Ich rief meine Gastfamilie an und teilte wie versprochen mit, falls und dass ich noch in der Stadt bleiben möchte. In dieser Hinsicht sind sie wirklich sehr tolerant.
Also probierte ich in der Stadt noch einmal Takoyaki (Ich hoffe, das stimmt jetzt) den mit süßen Bohnenpaste gefüllten, fischförmigen Backteig (Uguu~~~). Auf dem Rückweg nahm ich noch sehr einfallslos die obligatorische Wassermelone mit. Zunächst wollte ich die Honigmelone einstecken, die hatte keine Preisauszeichnung. An der Kasse traf mich dann jedoch der Schlag. 30000 Yen, also 25 Euro, für eine Honigmelone. Ich überlegte fieberhaft, wie ich mich aus der Misere manövriere, und fragte dann ganz unschuldig und naivdämlich, ob das eine Wassermelone sei. Das war es nicht, und ich durfte mir eine Wassermelone holen, die ich natürlich von Anfang an wollte. Glück gehabt. Das ist Japan, und so etwas passiert einem ständig.
Okasan-Gastmama war jedenfalls sehr dankbar, es endete (natürlich trotz allem Widerspruch) in einer kurzen Fahrt zum Supermarkt und ich musste mir was Süßes aussuchen. Ziemlich unwillig tat ich es, denn nach den ständigen Festessen war mir so gar nicht nach irgendwas zumute und ich wollte auch nicht gleich den Gegenwert der Melone in den Korb legen.
Abends also wieder langes Abendbrot mit langer und erstaunlich tiefsinniger Diskussion über christliche, islamische und japanische Religion, wobei Letzteres ja nicht so wirklich Religion genannt werden kann. Das gemeinsame, ausführliche und lange Abendbrot (Dinner) wird zur Regel, oft mit bis zu zwei Stunden Essen und Reden. Ich hatte die große Ehre – glaube ich – dass ich den Hausaltar gezeigt bekam, gut versteckt im verschließbaren Schrank. Dort wird den Eltern und Großeltern und der Katze mit einem Bild, Kerzen und Räucherstäbchen gedacht und sie sind quasi als Gott-Ersatz immer präsent. Ich fand das komischerweise superspannend. Wir waren uns auch einig darüber, dass Religionen wie das Christentum oder der Islam, die monotheistisch sind und gegenüber anders denkenden Menschen ignorant bis intolerant sein können, uns nicht gefallen. Oder so ähnlich.
Anschließend sprachen wir über die Finanzierung von Studium und Japanreise, was nicht so einfach zu erklären war, aber meine Gasteltern müssen gemerkt haben, dass ich sehr sparsam bin. Nein. Sein kann. Denn nach Akihabara habe ich mich schon gewundert, wo meine Kohle geblieben ist, die ich aus Deutschland mitgenommen hatte. Das Abheben mit der Kreditkarte hat aber zum Glück gut geklappt.
Dann sprachen wir noch darüber, warum in Anime die Frauen immer die Starken sind und wie es im Rest der Welt so ist. Wahnsinn, worüber man sich bereits nach zwei Tagen unterhält, in Japenglisch. Man kündigte mir für das Wochenende einen Besuch im eine Stunde entfernten Ferienhaus (?) des Otosan an, das wohl auch einen Onsen beinhaltet. Womöglich vermietet er es. Ich stelle fest, dass ich die Familie noch gar nicht gut kenne. Doch ich werde zunehmend integriert, auch wenn ich immer noch nicht die Dusche hinter mir saubermachen darf.
Gestern und heute wieder strahlte ich wie ein Lebkuchen im Ofen, weil man mir einen guten „common sense“ nachsagte. Na wo das wohl herkommt – und wer wohl jetzt strahlt. Lag jedenfalls daran, dass ich ständig frage, ob ich darf und ständig darauf hinweise, doch nicht so opulent zu kochen – nur um sofort klarzustellen, dass es schmeckt. Außerdem bin ich wohl der Erste, der sich zurückrufen lässt damit die Gasteltern das nicht bezahlen müssen. Ich fasse es nicht. Vielleicht liegt es daran, dass mir so viel Toleranz von Seiten der Gastfamilie entgegenschlägt.
Doch endet die Toleranz auch, wenn es heisst: Nein, 8 Uhr Bus, alles andere ist zu spät. Ich nehme auch an, dass es noch andere Gründe hat. Also gut. Dafür konnte ich erfolgreich erklären, dass ich bei 25 Grad Nachttemperatur nicht das Fenster schließen werde, um nicht zu erfrieren.
Schlussbemerkung: Himmel, Arsch und Zwirn. Ich will endlich irgendwie Internet. Gastpapa erzählt mir mehrmals wie günstig Mailen ist, ich frage mehrmals, ob er immer das gleich zahlt egal wie viel er surft oder mailt. Trotzdem komme ich mit diesem Thema nicht weiter. Ich fühle mich wie Marco Polo auf dem Pazifik. Oder wo der da langgesegelt ist. Fotos geschossen bis Heute, Tag 13: ca. 1000 Stück. Allerdings zur Zeit dieses Beitrags keine besonders zeigenswerten, da ich alle Hände voll zu tun habe, mich einzuleben.
O-Matsuri und Youth Week
Es ist gar nicht zu beschreiben, wie herzlich, warm und freundlich die Atmosphäre bei der Abschiedsfeier der Youth Week der Deutsch-Japanischen Youth Summit in Tokio war. Es wurden Dankesgeschenke ausgetauscht und wieder einige Millionen Fotos geschossen. Ich mit Dir, Du mit mir, wir mit euch, ihr mit uns, ich mit euch, ihr mit mir, wir mit uns, ihr mit euch. Leider habe ich – unverzeihlich – das Abschiedskonzert und den Beginn der Feier verpasst, weil mich Tokio zu lange in seinem Griff gehalten hat. Wie kam das?
Über Akihabara habe ich ja schon geschrieben. Also habe ich mit einem Freund zusammen am Freitag ein weiteres Mal dieses Viertel (sowie Ikebukuro, welches ebenfalls einem Otaku eine Menge bietet) besucht. Es ist unglaublich. Man mag ja glauben, nach vier Tagen hat man langsam alles gesehen. Ja Denkste. Jedes Haus hat sein dutzend Stockwerke, und wenn man nicht aufpasst, übersieht man gerne mal einen Eingang. In einer Seitenstraße jedenfalls war außerdem grade ein kleines O-Matsuri im Gange, sehr authentisch und sehr fröhlich. Die Menschen tanzten alle zu Trommel und traditioneller japanischer Musik und empfingen uns Gaijins sehr herzlich.
Bereits am Donnerstag abend waren wir dort extrem aufgefallen, da wir in Anzug und Krawatte sowie alle anderen Japaner überragend nicht zu übersehen waren. So probierten wir jede lokale Spezialität von diversen Fischspeisen bis zu dem berühmten gestossenen Eis mit Sirup. Ich würde dafür sofort jedes italienische Eis links liegen lassen, denn bei der Hitze ist das einfach nicht zu schlagen. Am Interessantesten fand ich die Mischung der Tänzer im Kreis um die Bühne zur Musik: da tanzten blutige Anfänger zusammen mit eleganten, in Kimono gekleideten Mädchen zusammen mit sehr niedlichen, in Kimono gekleideten Kindern zusammen mit einer Meido und einem Schulmädchen in Seifuku. So etwas sieht man nun wirklich nur in Japan.
So verbrachten wir den Abend auf dem Fest und merkten etwas spät, dass wir noch auf einem Abschiedsfest sein sollten. Dennoch, wir kamen noch rechtzeitig und klitschnass an, so dass wir uns nach einer kurzen Dusche zu besagtem Dinner und Abschiedsfest gesellen konnten. Ich ignorierte also noch etwas länger meine Füße, denn ich habe noch nie im Leben solche Schmerzen gehabt nach 11 Tagen Dauerlauf in Tokio. Es gab jeden Abend nichts schöneres, als sich im kühlen Luftzug der Klimaanlage aufs Bett zu werfen, den Laptop anzuwerfen und die Bilder zu kopieren. Ich darf gar nicht erzählen, dass es nicht nur einmal passiert ist, dass ich erst am nächsten Morgen Laptop und Zimmerlicht wieder ausmachen durfte. Einschlafen nach zehn Sekunden – das soll mir erstmal jemand nachmachen.
Aber zurück zum besonderen Abend. Das Interessante auf diesem Abschiedsfest von der Youth Week war die Beobachtung, dass die Japaner uns Deutsche weitaus häufiger beschenkten als umgekehrt. Ich hätte irgendwie erwartet, dass jeder der Deutschen mindestens einen Kontakt hat, dem er in irgendeiner Weise dankbar sein müsste.
Schließlich haben sich einige der japanischen Freiwilligen in dieser Woche unmenschlich verausgabt, um uns einen der schönsten Aufenthalte in einem Ausland zu bieten, die man haben kann. Eigentlich hätte der Hauptorganisator der freiwilligen Zusatzevents (wie Abends durch die Kneipen ziehen oder das Baseball-Spiel ansehen) mit Geschenken überhäuft werden müssen. Eigentlich war man darauf vorbereitet, dass man auf Gastgeschenke eine kleine Antwort haben sollte. Naja, ich bin wieder etwas lästig, entschuldigt bitte.
Sehr lieb fand ich die Mädels in meiner Gruppe, die nicht vergessen haben, dass ich am Ende des Youth Summit vor ein paar Tagen die Gastgeschenke für alle vier Japaner sponsern wollte und durfte, weil niemand etwas dabei hatte außer mir. Selbst obwohl wir am Tag davor mehrmals darüber gesprochen hatten. Aber ich kann das ein Stück weit nachvollziehen, denn ich habe mich auch mehrmals gefragt auf dem Weg zur Abschiedsfeier der Youth Week, ob es denn nun richtig ist, den drei japanischen Organisatorinnen etwas zu schenken, obwohl ich nichts wirklich mit Ihnen zu tun hatte. In der deutschen Kultur fragt man sich da gerne schnell mal, ob das nicht aufdringlich und zuviel des Guten ist.
Am Ende zeigte sich aber, dass es goldrichtig war. In Japan ist schenken wirklich nichts, was mit dem Sachwert zu tun hat oder mit der Größe des Geschenkes. Es ist die Art, Danke zu sagen. Ich bin außerdem ganz sicher, die Japaner haben ganz genau zur Kenntnis genommen, wie wir uns verhalten haben. Denn die Tatsache, dass unsere deutsche Hälfte der Youth-Summit-Themengruppe am heutigen Freitag etwas geschenkt bekam, war zum großen Teil eine Antwort und ein Dankeschön für die Geschenke (das „Danke“) des Youth Summit. Natürlich besteht die Kultur aus weitaus mehr als dem Schenken, aber es ist ein Paradebeispiel dafür, wie schwer es ist sich in dieser fremden Kultur zurechtzufinden. Manche haben es mehr im Blut als Andere, aber lernen kann es jeder der sich Mühe gibt.
Trotz aller Widrigkeiten war es also die genialste Woche meines Lebens, die freundlichsten Menschen die ich je kennen gelernt habe (auch auf deutscher Seite) und für alle sicherlich ein einmalig schönes Erlebnis. Das Karaoke habe ich trotzdem geknickt, sonst wäre ich wohl nicht mehr in der Lage am Samstag früh Koffer zu packen und zu meiner Gastfamilie zu fahren. Ich bin gespannt, was die nächsten Tage für mich bereithalten. Ich bin von Japan bisher absolut nicht enttäuscht worden – bis auf die fragwürdige Verfügbarkeit und Preis von Internet und den bekannten Badezeiten, die wir aber inzwischen weitestgehend aufgeweicht haben (Irgendwo auf der Welt ist immer Badezeit… Ich mach doch nicht das ganze Waschbecken nass… Ich habe gestern abend nicht…). Japan ist wirklich das Klischee, das jeder kennt. Nur ist es darüber hinaus noch so viel mehr. Danke an alle Teilnehmer, die sich die Mühe gemacht haben, an diesem Programm mitzuwirken.
Arigato.
Tokio Sightseeing
Heute gibt’s wohl mehr Fotos als Text, denn diese sprechen für sich. Das erste Mal fühlte ich mich nicht hektisch herumkommandiert sondern konnte in die Kultur eintauchen und in einer kleinen Gruppe stressfrei Tokio erkunden. Unser Gruppenleiter führte uns nach Asakusa, wo Schreine und Tempel an die Kultur und Tradition Japans erinnern. Auf mich machte das alles einen sehr touristischen und kommerzialisierten Eindruck, und ich bin sicher den älteren Bewohnern Tokios geht es genauso. Shoganai, würden die Japaner sagen. Dem ist nicht zu helfen. Japan öffnet sich der Welt und muss lernen, damit klug umzugehen.
Unsere Gruppe besteht ja zur Hälfte aus Japanern und Deutschen. Darüber hinaus haben wir ein sehr breites Spektrum an individuellen Eigenheiten der Teilnehmer. Japaner, die kein Englisch verstehen. Deutsche, die sich nicht so gut an die Kultur anpassen können wie andere. Japaner, die sich sehr typisch japanisch verhalten. Deutsche, die nicht merken, wenn sie den japanischen Gruppenleiter überrumpeln. Japaner, die sich überhaupt nicht japanisch benehmen (die Mehrheit, und eine gefährliche Mischung von kulturellen Stolperfallen).
Die deutschen Teilnehmer, die sich zu benehmen wissen, mögen mir verzeihen, wenn sie das hier lesen. Ich bin zum Teil schockiert bis angewidert, wie sich manche deutsche Teilnehmer verhalten. Da wird dann einfach mal direkt nach einer Bootsfahrt gefragt, und mehrmals nachgehakt bis der Gruppenleiter einlenkt (und sich später nur mit Hilfe der japanischen Kollegin aus der Schlinge retten kann, um den Zeitplan seiner für uns akribisch vorbereiteten Tour einzuhalten). Und weil er dann wegen uns Trödlern einen Programmpunkt nicht erfüllen kann, muss er sich bei uns entschuldigen.
Nun, zwischendurch waren wir gemeinsam zu Mittag. Echt genial. Auch wenn unser japanischer Gruppenleiter manchmal den Eindruck machte, als habe er zu viele Schlaftabletten genommen, war er sehr gut vorbereitet. Das Essen fand in einem typischen japanischen Restaurant auf Tatami statt, was für eine sehr unbequeme Sitzhaltung sorgte. Ich konnte dann aber endlich ein kleines Experiment veranstalten. Während sich die Deutschen selbst reichlich bedienten, bis die Kanne mit Wasser leer war, schenkte ich unserer ruhigen und stillen Typisch-Japanerin ein. Wie erwartet wurde mir angeboten, mir nachzufüllen. Es geht durchaus, sich an die Kultur anzupassen, ohne seine eigene Identität zu verlieren. Auch das korrekte Ablegen der Essstäbchen wurde von der Japanerin anerkennend zur Kenntnis genommen. Ich war echt happy, dass das ganze Anime gucken nicht völlig umsonst war. Gut, genug selbst beweihräuchert, es sind eben nicht alle auf dem gleichen kulturellen Wissensstand. Das Foto ist… naja ^^“
Nach der Diskussion hieß es flott duschen, denn um halb acht ging es weiter zum O-Matsuri, dem alle drei Jahre stattfindenden Festival in Tokio. Leider macht es um 10 Uhr bereits zu, so dass wir nur einen Hauch dessen erhaschen konnten, was uns dort erwartet hätte. Es findet zwar am Sonntag noch einmal statt, aber da hat die DJJG schon einen Arbeitstag angesetzt, das heißt Diskussion und anschließende Präsentationsvorbereitung (Nach einem langen und ausflugreichen Tag).
Ich lasse mich gerne vom Gegenteil überraschen, aber ich frage mich, ob wenige Stunden interkultureller Austausch und das Anfertigen einer Präsentation am Sonntag Abend durch vom Reisen müde Teilnehmer so innovativ und zukunftsweisend sein können, wie es der Summit gerne wäre oder wie ihn die DJJG gerne hätte.
Und das nächste Mal: Wieviel Bier verträgt ein Japaner?