Fang die Nudel

Kleines und vermutlich eins der letzten Updates aus Japan, denn wir haben Mittwoch Abend. Heute waren wir nochmal in Töpferei-Town Mashuko (oder so ähnlich) und haben uns die Finger schmutzig gemacht. Nicht der erste Ausflug mit unseren Mentoren der Medienschule, die das auch gleich öffentlich ausschlachtet – auf dem ersten Foto sieht man uns neben dem Maskottchen der Schule, auf dem letzten Bild vor dem Gebäude der Präfekturverwaltung Tochigi in Utsonomiya.

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Eines vorweg: Sorry, dass es zur Zeit so wenig Fotos gibt. Den ganzen Tag in der Schule sitzend muss man abends die Zeit zum Shoppen und Rumfahren nutzen. Wenn es dann mal Ausflüge gibt, sehe ich nicht den Sinn, irgendwelche Sake-Fabriken zu fotografieren. Aber auch sonst habe ich keine Ruhe, die wichtigen Dinge des Lebens zu fotografieren, und dieses Bild nur mal als Beispiel wie man es nicht macht.

Ich hab noch nie mit Drehscheibe getöpfert, und im Schneidersitz werd ich es auch nicht noch einmal. Nach der halben Stunde bin ich kaum mehr hochgekommen. Ich versteh nicht wie manche Leute so sitzen können. Ich konnte es die letzten Wochen auch gut vermeiden. Na, jedenfalls habe ich so fünfeindrittel runde gefässähnliche Gegenstände hervorgebracht die mir die Lehrer unserer Schule, welche diesen Spaß veranstaltet hat,  dann nach Deutschland schicken werden. Gegen jeden Protest, der natürlich sinnlos war.

Anschließend haben wir Nudeln gefangen. Nagashi Somen zu essen ist schon eine kleine Herausforderung. Es wird derjenige satt, der mit Stäbchen am Besten umgehen kann. Außerdem eine gute Gelegenheit zu beweisen, wie gut entwickelt oder auch bei manchen Gästen unterentwickelt das Gespür für Rücksichtnahme gegenüber den anderen am Essen teilnehmenden ist, denn alle essen aus dem gleichen Topf und der ist irgendwann alle.

Der weitere Plan für den Rest meines Japans sieht aus wie folgt: Donnerstag wird Kuchen gebacken für die Lehrer in meiner Medienschule, wo ich Praktikum mache seit drei Wochen. Natürlich nach dem Unterricht bis 5 Uhr Nachmittags. Freitag nochmal Unterricht und danach Souvenirs einkaufen. Mama und Papa haben gefragt, ob ich auch für alle schon was habe und haben sich anschließend den Rest des Abends den Kopf zerbrochen, was man wem mitbringen könnte. Ich habe versichert, dass meine Freunde schon gut versorgt sind. Denn das Souvenir ist das Image Japans in der Aussenwelt, haben sie gemeint. Freitag abend ist Abschlussparty in Utsonomiya, Samstag Mittag gehts nach Tokio. Abends werden wir wohl was mit unseren japanischen Freunden aus der Youth Week etwas unternehmen, Sonntagist freie Gestaltung und Abends Abschlussparty aller Teilnehmer. Montag gehts nach Deutschland zurück. Das heisst, vermutlich ab Samstag keine Blogeinträge mehr bis Dienstag.

Zurück zur Kultur. Überhaupt sind die Erklärungen für manche Dinge sehr interessant. So fragte ich, was es mit dem Bambusstab auf sich hat, der mit fließendem Wasser an einer Aufhängung für ein stetes wiederkehrendes hohles Klopfgeräusch sorgt. Ich kenne das bisher nur aus Anime, aber ich habe das auch schon hier in Japan gesehen, allerdings selten. Erklärt wurde mir der Sinn nach kurzem Lachen („Weshalb? Haha…“ a la: Wie kann man nur nach dem Wieso fragen) folgendermaßen: Die Japaner haben ein ruhiges Herz und ein ruhiges Wesen, die Stille ist ihnen ein hohes Gut und Ort der Konzentration. Der Stab symbolisiert den langsamen Herzschlag der Natur. Sehr spannend, ich werde jetzt nicht nachschlagen, wozu der Stab wirklich da sein könnte oder was andere Gründe sein könnten.

Ebenfalls interessant ist das Sozialverhalten der Schüler. Während der Unterrichtszeiten ist ein Kontakt nur schwer möglich, da diese sich dann in einer Art Schüler-Rolle befinden. Es mag ebenfalls daran liegen, dass sie nicht vor dem Rest der Gruppe ein Gespräch mit Deutschen anfangen werden. Auch befinden wir uns hier in Utsonomiya offenbar im Äquivalent eines Dorfes. Verglichen mit Tokio definitiv, denn die jungen Leute hier sind schüchtern wie sonstwas. Der Lehrer muss sie zum Teil erst zwingen, sich mit uns zu unterhalten.

Sitzen die Deutschen zu dritt zusammen, ist an einen Kontakt gar nicht mehr zu denken. Deswegen bin ich auch sehr enttäuscht, dass ich (pardon aber es ist nun einmal so) einen Ur-Deutschen als Klassenkameraden habe. Das führt dazu, dass ich nicht nur neben einem Deutschen im Unterricht sitze, sondern auch noch dazu genötigt werde, auf ihn zu warten, mit ihm Mittag zu essen und Sonstiges aus Höflichkeit oder Rücksichtnahme zu tun. Dies ist allerdings gar kein Vorwurf an ihn, sondern einfach eine unglückliche Situation. Was man vorwerfen könnte, wäre mangelhaftes Taktgefühl, denn nach den zum Teil sehr teuren Ausflügen der Lehrer mit uns kauft man als Abschiedsgeschenk einfach nicht im 100 Yen (1-Euro) Shop ein, sondern beisst eben mal in den sauren Apfel und gibt für die 50g-Tafel Lindt-Schokolade oder den Mini-Riegel Toblerone 3 Euro aus. Allerdings haben wir jetzt eine Lösung.

Und bitte erinnert mich daran, die Japaner beim Deutschlandbesuch vom Fahrradfahren abzuhalten, die überleben das nicht. In Japan gibt es kein schwarzweiß-Denken. Die Regel, dass man auf dem Fussweg nicht Fahrrad fährt oder auch Links-vor-Rechts im Straßenverkehr sind hier Dinge, die generell missachtet werden, wenn es die Situation erfordert. Dies ist zum Beispiel immer der Fall, wenn auf dem Fussweg noch ein paar Zentimeter Platz für ein Fahrrad sind.

Das ist übrigens mein Lieblingsgeschäft, ich habe offenbar ein untrügliches Gespür für Süßes, denn ich habe mindestens den besten Tayaki-Shop der Präfektur aufgetan, so sagte man mir. Gefüllt wahlweise mit Vanillepudding oder süßen Bohnen. Die mit deutscher Kartoffelfüllung habe ich nicht probiert. Nach ein paar Stunden schon sind sie aber leider nicht mehr knusprig.

Komischer Tag

Bäh, mir ist schlecht. Das, wozu uns unser großzügiger und reicher Gastgeber heute einlud, war zwar teures russisches Essen. Doch nach drei Wochen Japan hat mir das Zeug den Rest gegeben. Zähes Steak und rot gefärbte Kartoffeln in Tomatensuppe (Barsz) sowie Pjeruschki (in Blätterteig?! Honto?). Das war genauso russisch wie die Sushi-Restaurants bei uns Japan repräsentieren. Trotzdem bin ich ihm dankbar, denn der Ausflug war spannend. Auch wenn ich die anschließenden Gastgeber bestimmt verärgert hab, weil ich sogar den Tee und den Keks stehen lassen musste, um nicht den Tisch vollzukotzen. Pardon.

Jedenfalls bestand der Tag bis dato weitestgehend aus Cruisen im Lexus mit zwischenzeitlichem Besuch in Töpferei-Stadt und einem echten, sehr großen Dojo. Das was Chrysler nicht mehr kann, nämlich schön verarbeiteten Innenraum und bequeme Sitze, kann Lexus. Schon beim ersten Gas geben blieb mir für einige Sekunden das Blut im Hirn stehen, Unser Sensei ließ keine Gelegenheit aus, uns seine Fahrkünste zu demonstrieren. Und generell fuhr er mittig auf der Straße und schien die Aussage seines Autos „Ich bin hier wichtig“ auch voll zu unterstützen, was manchmal zu empörtem Hupen führte. Wohlgemerkt: In Japan hupt man normalerweise zum Dank! Genauso oft betonte er wie selbstverständlich, wie stolz er auf sein Auto sei. Etwas ratlos aber keineswegs unangenehm berührt konnte ich ihm dankbar für den Ausflug einfach nur zustimmen, denn er hat ja recht.

Unser Ausflug endete dann auch im Lexus-Autohaus. Was ich dort an Service erlebte, grenzte ja schon an Perversion. Wenn man es als Deutscher sieht. Ich fand es Klasse und wünschte, wir wären in Deutschland so weit. Zunächst wurden wir von einer adretten jungen Dame freundlich und mit breitestem Lächeln im Gesicht begrüßt. Diese führte uns dann in den luxuriösen Innenraum, wo die Edelkarossen präsentiert aufgereiht standen. Was uns der Sensei als Konzert und später als Minikonzert in bestem Englisch ankündigte, stellte sich als Präsentation einer sehr teuren Lautsprechereinrichtung heraus. Diese war neben einem CD-Player aufgebaut und zu Kaffee und Kuchen, der uns gratis gereicht wurde, konnten wir den mitgebrachten Klassik-CDs des Sensei lauschen.

Leider hatte wohl jemand die Lautsprecher verkehrt angeschlossen, denn der Sound war grottig. In der Zwischenzeit wurde der Lexus des Sensei gratis einer Wäsche unterzogen. Wer jetzt immer noch nicht weiß oder recherchiert hat, was Sensei heisst: Das ist grob übersetzt „Lehrer“. Trifft aber in der Regel auch auf Ärzte und generell Personen mit höherem Wissensstand oder Spezialisten zu.

Nachdem es mir ja nicht so gut ging, wurde er nicht müde zu betonen, wie geil die Toiletten in diesem Autohaus seien. Also ging ich, obwohl ich nicht wollte, und wurde von sich mir entgegenkommenden Toilettendeckeln begrüßt. Ich musste keinen Finger krümmen. Alles Vollautomatisch. Krasse Scheisse. Nachteil: Der Deckel dachte ich sei schon fertig und klopfte am Rücken an. Automatik ist eben auch in Japan nicht automatisch intelligent. Ok, genug Klogeschichten. Am Abend gab’s Dinner.

Natasha kam mit Gastmama herüber, todschick angezogen. Der Rest des Abends ist eher privat und hat hier im Blog nichts zu suchen, aber es wurde viel gequatscht und viel Honne gesprochen (Die Japaner haben sich miteinander in unserer Anwesenheit offen über uns unterhalten, und zur Erleichterung nur positiv). Viel Kopfzerbrechen schien den Japanern Natashas Abenteuerlust zu bereiten, denn sie wird ja wieder nach Japan kommen. Wie sie hier das teure Leben, das teure Studium und sowieso den mehrmaligen Flug finanzieren will, war auch nachdem sie gegangen war noch Gesprächsthema Nummer eins. Den Japanern ist so eine mutige und auf Träumen, Optimismus und Abenteuerlust aufbauende Zukunft viel zu unsicher, ja völlig fremd und unverständlich.

Gut, ich habe es auch nur halbwegs geschafft ihnen mitzuteilen, dass und welche Sicherheiten es noch gibt, dass man vielleicht einmal im Leben auch mal die Freunde oder Familie zu Hilfe rufen kann (was man aber natürlich vermeiden wird) oder dass es immer einen Weg gibt, wenn man will und darüber hinaus ja ein bissel gescheit und weltoffen ist. Man erzählte mir, die Kinder wachsen hier auch sehr behütet auf. Naja, ich und Gastpapa begleiteten Natasha und ihre Gastmama dann noch nach Hause, Natasha und ich unter breitem Grinsen, denn die Straßen sind ja so unsicher hier.

Kurz vorm Gehen tauchte noch ne Schabe auf, was mir erst hinterher eingefallen ist, dass es ne eklige Schabe ist, denn das Viech sah hübsch aus. Ich also voller Interesse, Natasha voller Schutzinstinkt, und die Japaner mit voller tödlicher Empörung. Sie wurde dann doch noch lebendig nach draussen befördert, danke Natashas empörten Ausrufen in gebrochenem Japanisch, denen ich mich gerne anschloss. Jaja, die Gajins kennen eben keine Schaben in 7cm Größe.

Soviel für Heute. Fotos gibt’s keine höchstens eins (oder, Natasha, darf ich?) denn tagsüber hatte ich null Bock auf Fotos. Bericht aus Nikko am Samstag und Fotos die Tage mal. Das ist nichts, was es im Web nicht schon gibt.