O-Matsuri und Youth Week

Es ist gar nicht zu beschreiben, wie herzlich, warm und freundlich die Atmosphäre bei der Abschiedsfeier der Youth Week der Deutsch-Japanischen Youth Summit in Tokio war. Es wurden Dankesgeschenke ausgetauscht und wieder einige Millionen Fotos geschossen. Ich mit Dir, Du mit mir, wir mit euch, ihr mit uns, ich mit euch, ihr mit mir, wir mit uns, ihr mit euch. Leider habe ich – unverzeihlich – das Abschiedskonzert und den Beginn der Feier verpasst, weil mich Tokio zu lange in seinem Griff gehalten hat. Wie kam das?

_MG_1989

Über Akihabara habe ich ja schon geschrieben. Also habe ich mit einem Freund zusammen am Freitag ein weiteres Mal dieses Viertel (sowie Ikebukuro, welches ebenfalls einem Otaku eine Menge bietet) besucht. Es ist unglaublich. Man mag ja glauben, nach vier Tagen hat man langsam alles gesehen. Ja Denkste. Jedes Haus hat sein dutzend Stockwerke, und wenn man nicht aufpasst, übersieht man gerne mal einen Eingang. In einer Seitenstraße jedenfalls war außerdem grade ein kleines O-Matsuri im Gange, sehr authentisch und sehr fröhlich. Die Menschen tanzten alle zu Trommel und traditioneller japanischer Musik und empfingen uns Gaijins sehr herzlich.

_MG_2003

Bereits am Donnerstag abend waren wir dort extrem aufgefallen, da wir in Anzug und Krawatte sowie alle anderen Japaner überragend nicht zu übersehen waren. So probierten wir jede lokale Spezialität von diversen Fischspeisen bis zu dem berühmten gestossenen Eis mit Sirup. Ich würde dafür sofort jedes italienische Eis links liegen lassen, denn bei der Hitze ist das einfach nicht zu schlagen. Am Interessantesten fand ich die Mischung der Tänzer im Kreis um die Bühne zur Musik: da tanzten blutige Anfänger zusammen mit eleganten, in Kimono gekleideten Mädchen zusammen mit sehr niedlichen, in Kimono gekleideten Kindern zusammen mit einer Meido und einem Schulmädchen in Seifuku. So etwas sieht man nun wirklich nur in Japan.

So verbrachten wir den Abend auf dem Fest und merkten etwas spät, dass wir noch auf einem Abschiedsfest sein sollten. Dennoch, wir kamen noch rechtzeitig und klitschnass an, so dass wir uns nach einer kurzen Dusche zu besagtem Dinner und Abschiedsfest gesellen konnten. Ich ignorierte also noch etwas länger meine Füße, denn ich habe noch nie im Leben solche Schmerzen gehabt nach 11 Tagen Dauerlauf in Tokio. Es gab jeden Abend nichts schöneres, als sich im kühlen Luftzug der Klimaanlage aufs Bett zu werfen, den Laptop anzuwerfen und die Bilder zu kopieren. Ich darf gar nicht erzählen, dass es nicht nur einmal passiert ist, dass ich erst am nächsten Morgen Laptop und Zimmerlicht wieder ausmachen durfte. Einschlafen nach zehn Sekunden – das soll mir erstmal jemand nachmachen.

P1020308

P1020301

P1020311

_MG_2030

Aber zurück zum besonderen Abend. Das Interessante auf diesem Abschiedsfest von der Youth Week war die Beobachtung, dass die Japaner uns Deutsche weitaus häufiger beschenkten als umgekehrt. Ich hätte irgendwie erwartet, dass jeder der Deutschen mindestens einen Kontakt hat, dem er in irgendeiner Weise dankbar sein müsste.
Schließlich haben sich einige der japanischen Freiwilligen in dieser Woche unmenschlich verausgabt, um uns einen der schönsten Aufenthalte in einem Ausland zu bieten, die man haben kann. Eigentlich hätte der Hauptorganisator der freiwilligen Zusatzevents (wie Abends durch die Kneipen ziehen oder das Baseball-Spiel ansehen) mit Geschenken überhäuft werden müssen. Eigentlich war man darauf vorbereitet, dass man auf Gastgeschenke eine kleine Antwort haben sollte. Naja, ich bin wieder etwas lästig, entschuldigt bitte.

Sehr lieb fand ich die Mädels in meiner Gruppe, die nicht vergessen haben, dass ich am Ende des Youth Summit vor ein paar Tagen die Gastgeschenke für alle vier Japaner sponsern wollte und durfte, weil niemand etwas dabei hatte außer mir. Selbst obwohl wir am Tag davor mehrmals darüber gesprochen hatten. Aber ich kann das ein Stück weit nachvollziehen, denn ich habe mich auch mehrmals gefragt auf dem Weg zur Abschiedsfeier der Youth Week, ob es denn nun richtig ist, den drei japanischen Organisatorinnen etwas zu schenken, obwohl ich nichts wirklich mit Ihnen zu tun hatte. In der deutschen Kultur fragt man sich da gerne schnell mal, ob das nicht aufdringlich und zuviel des Guten ist.

Am Ende zeigte sich aber, dass es goldrichtig war. In Japan ist schenken wirklich nichts, was mit dem Sachwert zu tun hat oder mit der Größe des Geschenkes. Es ist die Art, Danke zu sagen. Ich bin außerdem ganz sicher, die Japaner haben ganz genau zur Kenntnis genommen, wie wir uns verhalten haben. Denn die Tatsache, dass unsere deutsche Hälfte der Youth-Summit-Themengruppe am heutigen Freitag etwas geschenkt bekam, war zum großen Teil eine Antwort und ein Dankeschön für die Geschenke (das „Danke“) des Youth Summit. Natürlich besteht die Kultur aus weitaus mehr als dem Schenken, aber es ist ein Paradebeispiel dafür, wie schwer es ist sich in dieser fremden Kultur zurechtzufinden. Manche haben es mehr im Blut als Andere, aber lernen kann es jeder der sich Mühe gibt.

Trotz aller Widrigkeiten war es also die genialste Woche meines Lebens, die freundlichsten Menschen die ich je kennen gelernt habe (auch auf deutscher Seite) und für alle sicherlich ein einmalig schönes Erlebnis. Das Karaoke habe ich trotzdem geknickt, sonst wäre ich wohl nicht mehr in der Lage am Samstag früh Koffer zu packen und zu meiner Gastfamilie zu fahren. Ich bin gespannt, was die nächsten Tage für mich bereithalten. Ich bin von Japan bisher absolut nicht enttäuscht worden – bis auf die fragwürdige Verfügbarkeit und Preis von Internet und den bekannten Badezeiten, die wir aber inzwischen weitestgehend aufgeweicht haben (Irgendwo auf der Welt ist immer Badezeit… Ich mach doch nicht das ganze Waschbecken nass… Ich habe gestern abend nicht…). Japan ist wirklich das Klischee, das jeder kennt. Nur ist es darüber hinaus noch so viel mehr. Danke an alle Teilnehmer, die sich die Mühe gemacht haben, an diesem Programm mitzuwirken.

Arigato.

Im Paradies Akihabara [Upd.]

Manga und Anime sind, so könnte man nach einem Besuch in Akihabara (und auch Ikebukuro) meinen, der Japaner einzigste Lieblingsbeschäftigung. Ich bin also am Dienstag dort von 13 Uhr bis 23 Uhr gewesen und auch am Donnerstag noch einmal und wie es aussieht aufgrund eines Versprechens auch am Freitag noch einmal. Also – Es folgt Tripple-Blogging der letzten Tage in Tokio, denn am Freitag ist am Abend Abschiedsfeier für alle Teilnehmer der Youth Week und am Samstag ziehe ich hier aus. Anschließend geht’s zur Gastfamilie (JA! Ich habe endlich eine!) nach Utsonomiya zwei Stunden von Tokio entfernt. Mit dem Shinkansen ist es nur eine Stunde, aber dann kostet es 50 statt 20 Euro, heisst es.

_MG_1859

So, was gibt es über Akiba zu sagen? Mit offenem Mund kann man dort die Hauptstraße und die Seitengassen entlanglaufen. Dicht an dicht drängen sich mehrere Stockwerke hoch die Doujin-, Manga-, Anime-, DVD- und Elektronikshops. An jeder Straßenecke stehen zuckersüße Meidos und werben für eines der zahlreichen Meidocafés. Überall flimmert es von den Monitoren und man sieht sofort, dass zur Zeit die große K-on, Toradora, Spice and Wolf 2.0 und Haruhi 2.0 Marketingmaschine auf Hochtouren läuft. Die UFO-Catcher locken mit noch nicht käuflich verfügbaren Figuren, an jeder Ecke klimpert einem die Titelmelodie der Animes entgegen. Ohrenbetäubende Pachinko- und Spielhallen stehen dem Besucher ebenfalls offen.

_MG_2039

Die schmalen, ein dutzend Stockwerke hohen Shops sind an der Außenfassade mit zahlreichen Plakaten beklebt und auch die Keller sind – extrem gut herunterklimatisiert – nicht zu verachten. Dort findet man nicht nur kleine Doujin-Geheimtipps sondern so man möchte auch die Ü18-Abteilungen aus dem Anime- und Realfilmbereich. Die Erotikabteilungen westlicher DVD-Verleihe ist gegen die sich mehrere Stockwerke hinziehenden Filmsammlungen übrigens ein Witz. Auch die DVD-Cover sind hier weitaus ästhetischer und wirklich ein Blickfang für den geneigten Besucher, im Gegensatz zu den Übelkeit erregenden DVDs in deutschen Shops.

Ich war allerdings nicht (so sehr) geneigt und wollte auch lieber ein bisschen im Anime-Merchandising stöbern. Allerdings muss man da wirklich Zeit mitbringen, die ich mir dann auch vom DJJG-Programm abgezwackt habe. Dafür auch an dieser Stelle noch eine Entschuldigung an die Organisatoren sowie die lieben Mitreisenden. Ich habe diverse (optionale) Veranstaltungen sausen lassen, um noch einmal nach Akihabara und andere Bereiche Tokios zu kommen. Die Ergebnisse der Beutezüge seht ihr auf den Fotos.

Selbstverständlich durfte auch ein Besuch in einem Meidocafé nicht fehlen. Die Komilitonen aus dem Animereferat der Hochschule Furtwangen wären kerzengrade und raketengleich durch die Decke gegangen, hätten Sie diesen Anblick genießen dürfen. Eigentlich wollte ich mit der Kollegin rein, aber da ich sie auf dem Handy nicht erreichte, blieb mir nur die Wahl zwischen Alleine rein oder Alleine nicht rein. Also reservierte ich mir einen Sitzplatz für ein Stündchen, bei der jungen verkleideten Japanerin die sofort auf mich zustürmte, als ich aus dem Fahrstuhl stieg und den zartrosa Raum betrat.

Dann durfte ich erst einmal das skurrile Schauspiel genießen, denn anders kann man es kaum nennen. Mehrere blutjunge Meidos in zuckersüßen Kostümen wuselten zwischen den Besuchern allen Alters und Nationalität hin und her. Hier spielte eine Meido grade Karten mit dem Japaner und ließ immer ein entzücktes Quietschen los, wenn Sie wieder gewonnen hatte. Dort servierte grade die Meido mit den hohen schwarzen Strümpfen und dem Totenkopf im Haar das Omelett, um es daraufhin mit Ketchup zu bemalen. Einmal die süße Katze aus Ketchup und Majo, bitte. Dann darf noch der Zauberspruch nicht fehlen, der dem Ganzen den guten Geschmack verleiht. Zusammen mit dem Gast wir lauthals ein „moe moe!“ gestikuliert, um den Reis noch ein wenig schmackhafter zu machen.

Am amüsantesten waren immer die Gesichter der neuen Gäste, die der Fahrstuhl gelegentlich in den Raum spuckte, während die Glöckchen am Windspiel aufgeregt klingelten. Mit offenem Mund und ungläubig staunendem Blick überlegten die Gäste, wie sie nun in Gegenwart der anderen Gäste auf diesen Ansturm an Süßwaren auf Beinen reagieren sollen. Wie überall in Japan sind aber auch hier die Regeln klar. Fotografieren und Anfassen verboten.

_MG_1863

Die deutsche Anime- und Mangaszene ist verglichen mit dem Angebot in Akiba so unscheinbar und klein, dass man sie problemlos komplett hinter dem nächsten Ayanami Rei Pappaufsteller verstecken könnte. Nein, die sind leider nicht verkäuflich. Ich gebe zu, man muss sich zumindest ein wenig dafür interessieren, sonst könnte man schon auf den Gedanken kommen, das Lächerlich zu finden. Allerdings gibt es in Tokio so viele Verrückte, Interessante und Schräge Sachen… die man eigentlich glatt übernehmen sollte.

So frage ich mich jedes Mal, wenn ich vor einem der zahlreichen Automaten stehe und mich entscheiden muss zwischen heißem Kaffee, Eiskaffee, grünem Tee, Weizentee, Grillhähnchen mit Pommes und Teelimonade, warum gibt es das nicht in Deutschland? Weshalb zeigen die Ampeln in Deutschland nicht an, wie lange es noch dauert, bis es grün wird? Weshalb können wir in Deutschland nicht schon mit einer einzigen Karte berührungslos sowohl den Getränkeautomaten als auch die U-Bahn als auch das Handy bezahlen? Wieso haben wir in Deutschland keine dermaßen schicke, diverse Modeströmungen wie in Tokio? Weshalb schmeckt sogar der McDonalds und die Crepes in Tokio tausendmal besser als in Deutschland? Wieso bedankt sich in Deutschland niemand, wenn man ihm zum Vorbeigehen Platz macht? Warum macht in Deutschland niemand Platz, wenn Jemand vorbeigehen möchte? Wieso kann man in Tokio problemlos im dichtesten Gedränge eine empfindliche Plastiktüte mit Inhalt transportieren? Wieso wird man in Deutschland nicht als Kunde freundlich begrüßt und noch freundlicher verabschiedet, wenn man etwas gekauft hat? Wieso habe ich den Eindruck nach drei Tagen Tokio, dass ich schon einen Monat hier bin?

_MG_1918

Es gab in Tokio Momente, da habe ich staunend, ehrfürchtig und mit einem tiefen Gefühl der Gerührtheit sprachlos Jemand gegenüber gestanden – und das nur aufgrund einer kleinen, eigentlich selbstverständlichen und zuvorkommenden Geste. Allerdings gab es das auch umgekehrt. Ich erinnere mich an die sehr süße junge Japanerin (die meisten Japanerinnen sind sehr süß, und sehr jung) die mir mit offenem Mund und freudigem Ausdruck hinterher geschaut hat, da ich ihr für sie völlig unerwartet Platz gemacht hatte. Aber es macht auch Spaß, wenn man dafür ein Dankeschön erntet. Auch dies ist wieder nur ein kleines Beispiel für eine der vielen beeindruckenden Arten, wie Japaner menschlich miteinander umgehen.

_MG_1933

Ich möchte aber damit nicht sagen, dass wir hier ein Paradies haben. Ich wähle als Beispiel hier nur zwei Dinge. Da sind zum Beispiel die alten, verfallenden Gebäude im Zentrum Tokios. Direkt an die neuen modernen Bauten angrenzend, scheint sich niemand um sie zu kümmern und sie zu sehen. So wie die Obdachlosen Menschen, die ebenfalls übersehen werden. Zum Teil schlafen sie in manchen Stadtteilen mitten auf dem Fußweg. Offiziell existieren sie jedoch gar nicht. Ich wollte auch noch die unbekannteren Viertel Tokios besuchen, die Hafenviertel, die Seiten an Tokio, die der Tourist nicht sieht. Leider blieb für alles zu wenig Zeit. Daher werde ich noch bis zum nächsten Japanaufenthalt warten, bevor ich mir mein euphemistisches Bild Japans zerstöre.

_MG_1902

_MG_1890

_MG_1876

_MG_1867

_MG_2049

_MG_2047

Update ab hier: In Ikebukuro gibt es in der Sunshine City auch eine Anime- und Mangameile, die ist zwar sehr viel kleiner als in Akiba, aber auch sehr viel billiger.

_MG_1965

_MG_1938

_MG_1935

_MG_2065