Das war »Hallo Japan 2009«, auf Wiedersehen in Berlin 2010! Hier im Blog begann es mit diesem Eintrag. Ein zusammenfassender Beitrag mit sehr witzigen und authentischen Videoclips des gesamten Aufenthaltes sowie der letzten drei Tage folgt an dieser Stelle, sobald ich meinen Jetlag auskuriert und meine Kunden liebevoll gehätschelt habe Ende Oktober.
Schlagwort: DJJG
Macht’s gut und danke für den Fisch!
Wir sind wieder in Tokio angekommen, genauer gesagt im BumB in der Tokio Bay. Viel luxuriöser als das Yoyogi und die Zimmer viel geräumiger und sauberer. Wir haben zwar Dreibettzimmer, aber dafür eigene Dusche und kostenloses Internet. Schade, dass wir hier nur zwei Nächte bleiben werden. Heute abend hat es mich nach Odaiba gezogen, der ganze Tag war schon grau vernebelt aber das Riesenrad hat mich angefunkelt. Also bin ich einfach rübergefahren, denn wir befinden uns ja schon in der Bucht und ich musste quasi nur noch auf die Insel springen.
Leider habe ich die falsche Zuglinie erwischt, so dass ich statt über die Rainbow-Bridge zu fahren mich von unten angeschlichen habe. Dafür war die sechzehnminütige Fahrt mit dem Riesenrad auf der künstlichen Insel in der Tokiobucht sehr schön. Auf dem Weg zurück nach unten konnte ich mir dann überlegen, wie ich dem Regenguss entkomme. Aber da hatten die Händler bereits ihre Regenschirme ausgestellt und ich konnte mir einen für vier Euro ergattern.
Der Abschied von meinen Gasteltern am Morgen war herzlich, ich habe viele Geschenke mitbekommen und die Einladung, mit Familie wieder zu besuchen. Die Deutschen, die sich hier in der Tokio Bucht wieder getroffen haben (68 an der Zahl, sowie vierzig Japaner die uns noch einmal am Abend begleiten wollen) sind durchweg positiv gestimmt.
Fünf Minuten (Update)
Stellt man sich in Japan zur richtigen Zeit an die richtige Kreuzung, kann man ein interessantes Phänomen beobachten. Eine Schaar von uniformierten Schulmädchen auf dem Weg in die Shoppingmeile oder nach Hause, stets begleitet von einer Schaar uniformierter Schuljungen, wird im Takt der Ampel auf die Straße geworfen. Immer sind es Grüppchen, die lachend und feixend den restlichen Nachmittag damit verbringen, neue Anhängsel für ihre Handystraps zu kaufen, Purikuris zu schießen oder einfach in den zahlreichen Spielhallen mit dem UFO-Catcher ein bisschen Geld liegen zu lassen. „Ich hab mich heute mit der kleinen Schwarzhaarigen unterhalten“ ist bei den ausländischen Gästen ein oft gehörter Spruch.
Fang die Nudel
Kleines und vermutlich eins der letzten Updates aus Japan, denn wir haben Mittwoch Abend. Heute waren wir nochmal in Töpferei-Town Mashuko (oder so ähnlich) und haben uns die Finger schmutzig gemacht. Nicht der erste Ausflug mit unseren Mentoren der Medienschule, die das auch gleich öffentlich ausschlachtet – auf dem ersten Foto sieht man uns neben dem Maskottchen der Schule, auf dem letzten Bild vor dem Gebäude der Präfekturverwaltung Tochigi in Utsonomiya.
Eines vorweg: Sorry, dass es zur Zeit so wenig Fotos gibt. Den ganzen Tag in der Schule sitzend muss man abends die Zeit zum Shoppen und Rumfahren nutzen. Wenn es dann mal Ausflüge gibt, sehe ich nicht den Sinn, irgendwelche Sake-Fabriken zu fotografieren. Aber auch sonst habe ich keine Ruhe, die wichtigen Dinge des Lebens zu fotografieren, und dieses Bild nur mal als Beispiel wie man es nicht macht.
Ich hab noch nie mit Drehscheibe getöpfert, und im Schneidersitz werd ich es auch nicht noch einmal. Nach der halben Stunde bin ich kaum mehr hochgekommen. Ich versteh nicht wie manche Leute so sitzen können. Ich konnte es die letzten Wochen auch gut vermeiden. Na, jedenfalls habe ich so fünfeindrittel runde gefässähnliche Gegenstände hervorgebracht die mir die Lehrer unserer Schule, welche diesen Spaß veranstaltet hat, dann nach Deutschland schicken werden. Gegen jeden Protest, der natürlich sinnlos war.
Anschließend haben wir Nudeln gefangen. Nagashi Somen zu essen ist schon eine kleine Herausforderung. Es wird derjenige satt, der mit Stäbchen am Besten umgehen kann. Außerdem eine gute Gelegenheit zu beweisen, wie gut entwickelt oder auch bei manchen Gästen unterentwickelt das Gespür für Rücksichtnahme gegenüber den anderen am Essen teilnehmenden ist, denn alle essen aus dem gleichen Topf und der ist irgendwann alle.
Der weitere Plan für den Rest meines Japans sieht aus wie folgt: Donnerstag wird Kuchen gebacken für die Lehrer in meiner Medienschule, wo ich Praktikum mache seit drei Wochen. Natürlich nach dem Unterricht bis 5 Uhr Nachmittags. Freitag nochmal Unterricht und danach Souvenirs einkaufen. Mama und Papa haben gefragt, ob ich auch für alle schon was habe und haben sich anschließend den Rest des Abends den Kopf zerbrochen, was man wem mitbringen könnte. Ich habe versichert, dass meine Freunde schon gut versorgt sind. Denn das Souvenir ist das Image Japans in der Aussenwelt, haben sie gemeint. Freitag abend ist Abschlussparty in Utsonomiya, Samstag Mittag gehts nach Tokio. Abends werden wir wohl was mit unseren japanischen Freunden aus der Youth Week etwas unternehmen, Sonntagist freie Gestaltung und Abends Abschlussparty aller Teilnehmer. Montag gehts nach Deutschland zurück. Das heisst, vermutlich ab Samstag keine Blogeinträge mehr bis Dienstag.
Zurück zur Kultur. Überhaupt sind die Erklärungen für manche Dinge sehr interessant. So fragte ich, was es mit dem Bambusstab auf sich hat, der mit fließendem Wasser an einer Aufhängung für ein stetes wiederkehrendes hohles Klopfgeräusch sorgt. Ich kenne das bisher nur aus Anime, aber ich habe das auch schon hier in Japan gesehen, allerdings selten. Erklärt wurde mir der Sinn nach kurzem Lachen („Weshalb? Haha…“ a la: Wie kann man nur nach dem Wieso fragen) folgendermaßen: Die Japaner haben ein ruhiges Herz und ein ruhiges Wesen, die Stille ist ihnen ein hohes Gut und Ort der Konzentration. Der Stab symbolisiert den langsamen Herzschlag der Natur. Sehr spannend, ich werde jetzt nicht nachschlagen, wozu der Stab wirklich da sein könnte oder was andere Gründe sein könnten.
Ebenfalls interessant ist das Sozialverhalten der Schüler. Während der Unterrichtszeiten ist ein Kontakt nur schwer möglich, da diese sich dann in einer Art Schüler-Rolle befinden. Es mag ebenfalls daran liegen, dass sie nicht vor dem Rest der Gruppe ein Gespräch mit Deutschen anfangen werden. Auch befinden wir uns hier in Utsonomiya offenbar im Äquivalent eines Dorfes. Verglichen mit Tokio definitiv, denn die jungen Leute hier sind schüchtern wie sonstwas. Der Lehrer muss sie zum Teil erst zwingen, sich mit uns zu unterhalten.
Sitzen die Deutschen zu dritt zusammen, ist an einen Kontakt gar nicht mehr zu denken. Deswegen bin ich auch sehr enttäuscht, dass ich (pardon aber es ist nun einmal so) einen Ur-Deutschen als Klassenkameraden habe. Das führt dazu, dass ich nicht nur neben einem Deutschen im Unterricht sitze, sondern auch noch dazu genötigt werde, auf ihn zu warten, mit ihm Mittag zu essen und Sonstiges aus Höflichkeit oder Rücksichtnahme zu tun. Dies ist allerdings gar kein Vorwurf an ihn, sondern einfach eine unglückliche Situation. Was man vorwerfen könnte, wäre mangelhaftes Taktgefühl, denn nach den zum Teil sehr teuren Ausflügen der Lehrer mit uns kauft man als Abschiedsgeschenk einfach nicht im 100 Yen (1-Euro) Shop ein, sondern beisst eben mal in den sauren Apfel und gibt für die 50g-Tafel Lindt-Schokolade oder den Mini-Riegel Toblerone 3 Euro aus. Allerdings haben wir jetzt eine Lösung.
Und bitte erinnert mich daran, die Japaner beim Deutschlandbesuch vom Fahrradfahren abzuhalten, die überleben das nicht. In Japan gibt es kein schwarzweiß-Denken. Die Regel, dass man auf dem Fussweg nicht Fahrrad fährt oder auch Links-vor-Rechts im Straßenverkehr sind hier Dinge, die generell missachtet werden, wenn es die Situation erfordert. Dies ist zum Beispiel immer der Fall, wenn auf dem Fussweg noch ein paar Zentimeter Platz für ein Fahrrad sind.
Das ist übrigens mein Lieblingsgeschäft, ich habe offenbar ein untrügliches Gespür für Süßes, denn ich habe mindestens den besten Tayaki-Shop der Präfektur aufgetan, so sagte man mir. Gefüllt wahlweise mit Vanillepudding oder süßen Bohnen. Die mit deutscher Kartoffelfüllung habe ich nicht probiert. Nach ein paar Stunden schon sind sie aber leider nicht mehr knusprig.
Komischer Tag
Bäh, mir ist schlecht. Das, wozu uns unser großzügiger und reicher Gastgeber heute einlud, war zwar teures russisches Essen. Doch nach drei Wochen Japan hat mir das Zeug den Rest gegeben. Zähes Steak und rot gefärbte Kartoffeln in Tomatensuppe (Barsz) sowie Pjeruschki (in Blätterteig?! Honto?). Das war genauso russisch wie die Sushi-Restaurants bei uns Japan repräsentieren. Trotzdem bin ich ihm dankbar, denn der Ausflug war spannend. Auch wenn ich die anschließenden Gastgeber bestimmt verärgert hab, weil ich sogar den Tee und den Keks stehen lassen musste, um nicht den Tisch vollzukotzen. Pardon.
Jedenfalls bestand der Tag bis dato weitestgehend aus Cruisen im Lexus mit zwischenzeitlichem Besuch in Töpferei-Stadt und einem echten, sehr großen Dojo. Das was Chrysler nicht mehr kann, nämlich schön verarbeiteten Innenraum und bequeme Sitze, kann Lexus. Schon beim ersten Gas geben blieb mir für einige Sekunden das Blut im Hirn stehen, Unser Sensei ließ keine Gelegenheit aus, uns seine Fahrkünste zu demonstrieren. Und generell fuhr er mittig auf der Straße und schien die Aussage seines Autos „Ich bin hier wichtig“ auch voll zu unterstützen, was manchmal zu empörtem Hupen führte. Wohlgemerkt: In Japan hupt man normalerweise zum Dank! Genauso oft betonte er wie selbstverständlich, wie stolz er auf sein Auto sei. Etwas ratlos aber keineswegs unangenehm berührt konnte ich ihm dankbar für den Ausflug einfach nur zustimmen, denn er hat ja recht.
Unser Ausflug endete dann auch im Lexus-Autohaus. Was ich dort an Service erlebte, grenzte ja schon an Perversion. Wenn man es als Deutscher sieht. Ich fand es Klasse und wünschte, wir wären in Deutschland so weit. Zunächst wurden wir von einer adretten jungen Dame freundlich und mit breitestem Lächeln im Gesicht begrüßt. Diese führte uns dann in den luxuriösen Innenraum, wo die Edelkarossen präsentiert aufgereiht standen. Was uns der Sensei als Konzert und später als Minikonzert in bestem Englisch ankündigte, stellte sich als Präsentation einer sehr teuren Lautsprechereinrichtung heraus. Diese war neben einem CD-Player aufgebaut und zu Kaffee und Kuchen, der uns gratis gereicht wurde, konnten wir den mitgebrachten Klassik-CDs des Sensei lauschen.
Leider hatte wohl jemand die Lautsprecher verkehrt angeschlossen, denn der Sound war grottig. In der Zwischenzeit wurde der Lexus des Sensei gratis einer Wäsche unterzogen. Wer jetzt immer noch nicht weiß oder recherchiert hat, was Sensei heisst: Das ist grob übersetzt „Lehrer“. Trifft aber in der Regel auch auf Ärzte und generell Personen mit höherem Wissensstand oder Spezialisten zu.
Nachdem es mir ja nicht so gut ging, wurde er nicht müde zu betonen, wie geil die Toiletten in diesem Autohaus seien. Also ging ich, obwohl ich nicht wollte, und wurde von sich mir entgegenkommenden Toilettendeckeln begrüßt. Ich musste keinen Finger krümmen. Alles Vollautomatisch. Krasse Scheisse. Nachteil: Der Deckel dachte ich sei schon fertig und klopfte am Rücken an. Automatik ist eben auch in Japan nicht automatisch intelligent. Ok, genug Klogeschichten. Am Abend gab’s Dinner.
Natasha kam mit Gastmama herüber, todschick angezogen. Der Rest des Abends ist eher privat und hat hier im Blog nichts zu suchen, aber es wurde viel gequatscht und viel Honne gesprochen (Die Japaner haben sich miteinander in unserer Anwesenheit offen über uns unterhalten, und zur Erleichterung nur positiv). Viel Kopfzerbrechen schien den Japanern Natashas Abenteuerlust zu bereiten, denn sie wird ja wieder nach Japan kommen. Wie sie hier das teure Leben, das teure Studium und sowieso den mehrmaligen Flug finanzieren will, war auch nachdem sie gegangen war noch Gesprächsthema Nummer eins. Den Japanern ist so eine mutige und auf Träumen, Optimismus und Abenteuerlust aufbauende Zukunft viel zu unsicher, ja völlig fremd und unverständlich.
Gut, ich habe es auch nur halbwegs geschafft ihnen mitzuteilen, dass und welche Sicherheiten es noch gibt, dass man vielleicht einmal im Leben auch mal die Freunde oder Familie zu Hilfe rufen kann (was man aber natürlich vermeiden wird) oder dass es immer einen Weg gibt, wenn man will und darüber hinaus ja ein bissel gescheit und weltoffen ist. Man erzählte mir, die Kinder wachsen hier auch sehr behütet auf. Naja, ich und Gastpapa begleiteten Natasha und ihre Gastmama dann noch nach Hause, Natasha und ich unter breitem Grinsen, denn die Straßen sind ja so unsicher hier.
Kurz vorm Gehen tauchte noch ne Schabe auf, was mir erst hinterher eingefallen ist, dass es ne eklige Schabe ist, denn das Viech sah hübsch aus. Ich also voller Interesse, Natasha voller Schutzinstinkt, und die Japaner mit voller tödlicher Empörung. Sie wurde dann doch noch lebendig nach draussen befördert, danke Natashas empörten Ausrufen in gebrochenem Japanisch, denen ich mich gerne anschloss. Jaja, die Gajins kennen eben keine Schaben in 7cm Größe.
Soviel für Heute. Fotos gibt’s keine höchstens eins (oder, Natasha, darf ich?) denn tagsüber hatte ich null Bock auf Fotos. Bericht aus Nikko am Samstag und Fotos die Tage mal. Das ist nichts, was es im Web nicht schon gibt.
Nikko
Heute ging es mit der Gastfamilie nach Nikko. Nikkō liegt etwa 140 Kilometer nördlich von Tokio in den Bergen der Präfektur Tochigi. Obwohl das Wetter diesig und der Himmel bedeckt war, war es recht spannend. Zeitweise jedoch war es nur eine Mischung aus einem österreichischem Bergsee und totkommerzialisierter Shinto-Tempel-Besichtigung. Wer das geheimnisvolle Japan sucht, sollte um Nikko und seine Touristen einen großen Bogen ziehen. Zugegeben, für den ersten Besuch hat es sich gelohnt, denn die Landschaft ist wirklich schön und die sehr alten, bemoosten Tempel sehr anschaulich.
Von den allgegenwärtigen Affen habe ich aber keinen Einzigen gesehen. Das mag auch daran liegen, das meine Gasteltern nicht die Jüngsten sind und wir eigentlich alles meiden müssen, wo man viel laufen oder Treppen steigen muss. Trotzdem bewundernswert, wie fit meine Gastmutter auf der Heimfahrt noch war, während Gastpapa und ich weggeschnarcht sind und ich bereits abends um 9 im Futon sitze. Denn Sonntag gehts ja um 10 schon wieder los, diesmal mit dem Sensei. Ich habe mich immerhin mit einem Abendessen im Restaurant bedanken dürfen.
Es ist schon so schwer genug, den Japanern alles ihre Ausgaben zu vergelten. Ich werde wie die meisten anderen Deutschen auch rein rechnerisch tief im Minus stehen, wenn ich Japan verlasse. Ich darf keine Eintrittskarte selbst bezahlen und kein gemeinsames Essen, es sei denn ich lade ausdrücklich dazu ein. Gucke ich etwas zu lange an, landet es als Geschenk in meinen Händen, wenn ich mich nicht energisch wehre. Manchmal kann das ganz schön in Verlegenheit bringen.
Tochigi-City und seine Menschen
Ich muss mal wieder was sinnvolles schreiben, anstelle nur Fotos von Hunden auf LSD zu posten. Freitag haben aufgrund von Klausuren unsere beiden Stammbetreuer wieder Tagesausflüge mit uns unternommen. Diesmal ging es mit Bahn und Rad nach Tochigi-City für ein wenig Geschichtsunterricht. In der Stadt sind einige alte Gebäude gut erhalten. Ja, da sind dann auch ein paar Fotos entstanden.
Der Weg dahin und zurück war aber mindestens genauso interessant. Ich denke ich lasse einfach Bilder sprechen. Seit zwei Wochen schon geben sich unsere Lehrer die größte Mühe, damit uns nicht langweilig wird. Ich glaube, wir stehen inzwischen ziemlich tief in einer Art Dankeschuld. Mal sehen wie sich das zur Utsonomiya-Abschlussparty am nächsten und letzten Freitag lösen lässt.
Ok, ich gebe es zu, die letzten zwei Fotos sind nicht aus Tochigi-City sondern Utsonomiya.
Utsunomiya Night Shots
Wieder war ich in Utsunomiya unterwegs und hab Nachts ein paar Schnappschüsse gemacht. Anschließend zum Utsunomiya-Tower, der leider schon zu hatte. Der Ausblick war trotzdem toll. 20:45 Uhr zu Hause, also eine Viertelstunde zu spät. Uhhh. Dabei muss ich doch noch dringend was klären. Oben auf dem Tower kam mir eine Gruppe japanischer Jugendlicher entgegen, die schüchtern, aber voller Enthusiasmus „Hallo“ riefen. Irgendwie ist man hier wirklich ein buntes Huhn und wird von allen getestet, betrachtet und neugierig auseinandergenommen. Das ist leider beim subtilen Fotografieren etwas hinderlich, aber andererseits sehr lustig.
Denn für Samstag haben meine Gasteltern einen Ausflug nach weltberühmtes Nikko angesetzt und am Sonntag Dinner mit Natasha. Nur… Heute kam der Ex-Vorstand Fujii-Sensei in die Schule und lud alle Deutschen zum Essen morgen ein und wollte ebenfalls etwas am Wochenende unternehmen. „Tjaa, sorry Sensei, ich bin verplant“. Das geht so natürlich nicht, also habe ich herausgebracht, dass ich mich noch mit den Eltern abstimmen muss. Er wollte uns unbedingt nach Nikko mitnehmen und hätte auch die Eltern mitgenommen. Nur hatten Michael und Jolinka Nikko bereits gesehen.
Letztendlich kann man es dem Sensei aber nicht wirklich ausschlagen, daher habe ich das einfach alles meinen Gasteltern erzählt, sollen die das auf die korrekte japanische Art regeln. Gemein, ich weiß. Wie ich erfuhr, sind wir nicht die ersten Praktikanten an dieser Schule.
Trotz Zuspätkommens gab es ein fürstliches Abendbrot mit geschmorten Pilzen. Okasan hat ob der Mischung die Hände überm Kopf zusammengeschlagen und grinsend zugeschaut.
In der Schule heute 3D-Grafik und Elektronik, eigentlich nur dagesessen, zugehört soweit möglich, rumgesurft und den Japanern meine exklusive Sammlung westlicher Anime-Musikvideos zukommen lassen.
Für morgen haben sich unsere lieben beiden jungen Lehrer und Lehrerin (ich erinnere, die sind kaum über zwanzig) wieder entschlossen, uns in ein Museum zu entführen und ein wenig Kultur zu zeigen. Ich habe langsam den Eindruck, die sind ganz froh, mal rauszukommen.
Utsunomiya Street Shots
Heut nur Schule und Shoppen (das geplante Kimonogeschäft hatte zu, ebenso das Cosplay-Café), also schleppten uns unsere zwei Lehrer – beide jünger als ich – in das größte Kaufhaus der Stadt. Erste Street Shots. Mist, die Kleine hats gemerkt, hoffentlich petzt sie den bösen Gaijin nicht.
Das Foto der Staffelei zeigt ein Gemälde eines Schülers meiner Kunst- und Medienschule. Die letzten zwei Fotos zeigen den Ausblick aus meinem Zimmerfenstern kurz nach dem Taifun.
Kein Titel
Taifun hat ganz unsportlich angetäuscht und ist an Japan vorbeigezogen. Das hieß heute wieder schwülwarmes unerträgliches Wetter. Heute also zweiter Schultag. Animation und Manga stand auf dem Stundenplan. Unsere Klasse hatte sich irgendwann gegen zehn Uhr halbwegs vollständig eingefunden. Der Lehrer nahm’s gelassen.
Die sehr unterschiedlichen Schüler arbeiteten weiter an ihren Projekten, mal mit dem Tausende Euro teuren Grafiktablett-Bildschirm, mal ganz altertümlich mit Stift und Papier. Michael und ich durften uns kleine Intuos Grafiktabletts anschließen. Ich stelle fest, dass ich so ein Ding echt brauchen kann, damit kann man doch recht gut arbeiten.
Unser Lehrer hatte dann irgendwann spitz gekriegt, dass ich mich ziemlich für Anime interessiere. Dann war er nicht mehr zu halten und quasselte mich eine Stunde lang auf japanisch zur Manga- und und Otakuszene voll. Ich verstand ungefähr 5% obwohl es mein Fachgebiet ist. Das zeigte mir wieder extrem, wie schlecht mein Japanisch ist.
Ich habe dann nur noch am Rande mitbekommen, wie die Diskussion irgendwann bei Seifukus landete. Ich werde mir daran ein Beispiel nehmen. Ich denke, ich fange bei den Plakaten fürs nächste Semester Animereferat in der Hochschule damit an. Mal sehen, wie das ankommt.
Apropos. Da ich grade keine ordentlichen Fotos zur Hand habe, mal ein paar Schüsse des hübschen und bis ins hinterste Eck detaillierten Mitbringels.
Noch ein Foto meiner Mitschüler, von dem ich nicht weiß, ob ichs posten darf, daher geschwärzt. Cosplay ist hier nicht irgendwelchen Conventions oder Messen vorbehalten, sondern hat etwa den Stellenwert eines Hobbies oder Modetrends. Viele junge Leute auf der Straße haben auch als normale Alltagskleidung eine Art Kostüm an, nur nicht so extrem wie das klassiche Cosplay eines Anime- oder Mangahelden. Es ist eher dezenter und modischer, mit verschiedenen Stilrichtungen. Ich denke, wenn ich mit dem Tele unterwegs war, werde ich das zeigen können.
In der Zeitung war ich übrigens auch. Extra nochmal in Vergrößerung… Der Bürgermeisterbesuch hat ganze zehn Minuten gedauert. Und dann so ein Wirbel. Tsss.
Mit meinen Gasteltern läuft soweit alles Bestens. So gut, mittlerweile, dass ich mich ständig frage, ob nicht doch irgendwas ganz krumm läuft von dem ich nichts mitbekomme. Die Japaner planen ja tagtäglich hinter dem Rücken der deutschen Gäste, stellen Gerüchte und Verschwörungstheorien auf, dass es einem die Haare aufstellt. Wenn man dann gefragt wird, wieso und weshalb man dies und jenes, kann man nur noch mit ratlosem Gesichtsausdruck antworten, was zum Teufel denn gemeint sei. Denn man hat ja gar nicht dies und jenes. Heute habe ich dann meine Gasteltern irgendwie kreuzdämlich gefragt, ob alles soweit ok sei. Ich habe nicht mit einem hartnäckigem japanischen „Warum?“ gerechnet, das ich erst nach einer halben Stunde aus der Welt geschafft hatte (Es gab kein „warum?“).
Zum Schluss noch ein Foto aus der Nähe des Schreins. Dies kann als ganz normaler Stadtanblick durchgehen.
Mein erster Schultag
Das Praktikum nimmt schräge Formen an und kann sowie konnte nie so genannt werden. Nennen wir es kulturelles Praktikum. Wir haben vier Blöcke, von 9:20 Uhr bis 12:25 Uhr und von 13:20 bis ich bin nicht sicher wann, denn wir haben heut um 16 Uhr aufgehört. Es war Unterricht in CGI und Videoschnitt, und es wurden Arbeiten der Schüler besprochen, denn ich lande in den letzten zwei Wochen des Semesters. Aber trotz allem sehr spannend, ich verstand erstaunlich viel. Zum Teil bis zu 80% dank der englischen Fachwörter und der guten Lehrer.
Ich kann allerdings nicht viel mehr machen, als dem Unterricht zuzuschauen, denn die Programme wie After Effects sind in Japanisch beschriftet. Jeder Schüler hat an der Schule seinen Laptop, so konnte ich auch mit Meinem im Unterricht sitzen. Die Klassen sind vergleichsweise klein, ein dutzend Schüler, etwas jünger als ich. Heute war es eigentlich nur ein dem Lehrer zuhören, der die zum Teil interessanten, zum Teil fragwürdigen „Arbeiten“ der Schüler im 1. Semester besprochen hat. Ich vermute, nicht alle werden das 2. Semester sehen. Mein Stundenplan sagt, morgen steht Manga und Animation auf dem Plan. Bin gespannt.
Im letzten Block kam ich endlich ins Gespräch mit den Schülern, die uns bis dahin trotz Vorstellung ignorierten und vermutlich genauso feige waren wie ich und Michael. Jolinka ist in anderen Klassen, denn sie interessiert sich mehr für Architektur als für digitale Medien und Mangakunst. Nachdem ich zaghaft mit dem Wörterbuch bewaffnet einen der Mitschüler nach dem Semester fragte, konnte ich erste Kontaktaufnahmen erfolgreich verbuchen.
Später konnte ich dank eines Lehrers herausfinden, dass ein Drittel der Klasse aus Otaku, also Manga-, Game- und Animefreaks besteht. Diese haben mich auch herzlichst in ihre Mitte genommen, nachdem ich zu Aller Erstaunen die Namen einiger mir vorgesetzter Serien problemlos erkannte. Es gab sogar Welche, die sie nicht wussten, wie Clannad. Das kennen hier erstaunlich Wenige. Nun muss ich mir also nur noch mindestens vier japanische Namen gleichzeitig merken, die auch noch ähnlich klingen. Ich sehe das Desaster morgen schon herannahen. Der Lehrer zeigte mir mehrere A4-Ausdrucke Cosplayender Schülerinnen und Schüler im Studio der Schule im Rahmen der Webstream-TV-Sendung. Das war irgendwie… schräg.
Nach der Schule habe ich noch zwei Tayaki, gefüllt mit süßer heißer Bohnenpaste, mitgehen lassen. Danach zwang mich der Sturm mit waagerechtem Nieselregen dann doch, Okasan anzurufen. Sie hatte gefordert, mich anstelle des Busses von der Schule abzuholen. Dass ich auch Bus fahren hätte können, zeigte ich ihr hoffentlich dezent genug indem ich die Tayaki mit nach Hause nahm, denn die sind auch nicht grade neben der Schule, sondern eher Richtung Bushaltestelle. Ich hab aber dann noch die Wartezeit damit verbracht zu zählen, wie viele Mädels im Schulkostüm sich bei dem Wind auf die Straße trauen.
Die Japaner nutzten das leicht stürmische Wetter für einen frühen Arbeitsschluss. Läden schlossen und die Stadt war relativ ausgestorben, obwohl längst bekannt sein hätte müssen, dass der Taifun Utsonomiya nur streifen wird. Jeder hat eben seine Methoden, sich mal vor der Arbeit zu drücken, und diese Methode erscheint mir doch recht japanisch.
Die höheren Semester dieser kleinen Medienschule produzieren übrigens Donnerstags immer oben genannten TV-Stream ins Web. Man kann ihn hier sehen, und ich habe meinen Auftritt darin von letzten Donnerstag noch nicht gefunden… Zum Abendessen gabs Oden (heißen Topf sozusagen) mit ein paar ziemlich pervers aussehenden Inhalten, da meine Gasteltern sich dusselig frieren, während ich im T-Shirt rumlaufe bei 20 Grad.
Kulturelle Tretminen 3
Wie nett, dass uns die Lehrer der Medienschule zur Welcome-Party eingeladen haben. Nun, ich also zu meinen Gasteltern in gebrochenem Japanisch, dass ich wohl später kommen möchte (sehr spät) und ob das ok wäre weil so und so. Die also: Ja, klar, kannst kommen wann Du willst – und nein, ich hab mich nicht verhört und dreimal nachgefragt. Mit diesem Beitrag habe ich endlich wieder aufgeholt und kann in Ruhe wieder Fotos vorbereiten, bevor ich abends ins Bett falle. Apropos…
Ich komme also um halb 2 von der Party mit Schülern und Lehrern (die zum Teil jünger sind als ich) zurück, Jolinka war seit 11 zu Hause wegen letzter Zug und so. Ich nicht, bin ja fahrradtechnisch ausgestattet. Hab auch nicht grade so viel gesoffen, dass ich vom Rad falle. Mach ich ja nie. ALso no problem. Ha, denkste. Ich bin zu spät, sie hätten sich Sorgen gemacht. Ja super, wann wäre denn nicht zu spät gewesen? Man hatte uns ja eingetrichert, dass wir mit unseren Gasteltern aufpassen sollen bei diesen Dingen (Heute muss ich zum Dinner um halb acht zu Hause sein. Super). Und trotzdem hab ich es voll geschafft, dass meine Gasteltern nachts rumtelefonieren und die Leute aus dem Bett jagen. Ja super. Und sonst machen Sie immer Einen auf Westlich. Nein, trotzdem immer alles Bestens und nett, bis auf das. *fett seufz*
Immer noch kein Erdbeben gefühlt. Ja wo sind die denn alle? Habe heute auch herausgefunden, dass für Radfahrer so gut wie keine Verkehrsregeln gelten. Die eine Hälfte fährt ohne Licht, die Andere auf der falschen Straßenseite. Ich fange an mich daran und an den Linksverkehr zu gewöhnen. Fußgänger und Radfahrer bewegen sich wild gemischt aber unfallfrei, was mich sehr begeistert. Jeder passt sehr auf, deswegen geht das super und man kommt auch in Menschenmengen mit dem Fahrrad voran.
Heute haben wir kaum Betreuung gehabt und im Lehrerzimmer rumgesessen, dezent gesurft aber nur am abgesicherten japanischen Laptop und japanische Designermagazine und –bücher gelesen. Ein Lehrer hat mich und Jolinka morgen zum Abendbrot eingeladen. Heute Mittag auch schon, da gab es Soba. Fehlt mir nur noch Ramen, dann habe ich die Bekanntesten japanischen Gerichte durch.
Ein bisschen schade ist, dass kein Japaner meine Sprache korrigiert, erst auf hartnäckige Nachfrage. Auch sieht man nicht sofort, dass jemand etwas nicht versteht. Man sieht eher, wenn jemand etwas endlich versteht. Ich lande schon früh im Bett, da es schon um 7 Uhr aufstehen heißt, und außerdem ist Deutsch und Englisch Mangelware, so das für mich der ganze Tag aus Rätseln besteht.
Das Leben in Utsunomiya
So, heute mach ichs kurz. Vielleicht. Alles Bestens, ich lebe mich zunehmend ein und alle sind zufrieden. Nur die Schuldirektorin macht noch nicht den Eindruck, als sei sie mit uns zweien sehr glücklich – wahrscheinlich interpretiere ich auch die Mimik falsch, denn sie spricht zwar deutsch, aber ist Japanerin denke ich. Trotzdem, vormittags leichte Aufgaben am PC unter viel Betreuung, nichts wobei man sich verausgabt, aber wir wollen ja auch eher kommunizieren und die japanische Kultur kennen lernen, also ist es nicht schlimm. Dann Mittagessen mit den Sensei und zum Glück auf eigene Kosten. Etwas irritiert waren Jolinka und ich auf die direkte Frage, wie viel Geld wir fürs Essen ausgeben können. Wir hätten vielleicht nicht mit „egal“ antworten sollen, denn das schien für Erheiterung zu sorgen. Also sagten wir, das Gleiche wie der Praktikant. So gab es für 850 Yen (6 Euro) ein sehr leckeres klassisches Mittagessen mit Reis, Misosuppe und Gemüsen.
Nachmittags war Höflichkeitsbesuch beim Bürgermeister angesagt, das bedeutet ich bin jetzt Freundschaftsehrenbürger der Stadt Utsonomiya. Yay, man fühlt sich sehr geehrt. Da sahen sich das dutzend Deutsche Praktikanten in Utsonomiya mal endlich wieder, denn wir haben null Kontakt untereinander. Natasha wurde gezwungen, im Kimono zu erscheinen, doch der Kunstfaserstoff war alles andere als kühl, obwohl es hier mittlerweile dezent herbstlich wird (nur noch 25 statt 30 Grad oder so).
Wir waren auch im lokalen Schrein Utsonomiyas. Dieser befindet sich mitten in der Stadt auf einem grünen Hügel gelegen. Sehr ästhetisch, leider wird die Ansicht grade von einem neuen Hochhaus zugebaut, so verkündet stolz ein Werbeplakat der Baufirma.
Anschließend haben ich und meine Praktikumskollegin eine Einladung eines Gastvaters zum Umtrunk ausschlagen müssen, was sich als delikate Angelegenheit herausstellte. Denn wir wurden anschließend durch die Stadt begleitet (ganz zufällig auf dem gleichen Weg) was uns gezwungen hat, wieder in die Schule zurückzukehren, in der wir eigentlich gar nicht mehr erwartet wurden. Dort mussten wir uns dann die nächste Begründung überlegen, weshalb wir wieder aufgetaucht waren. Ich hoffe, das hat keine Konsequenzen… Aber was auch immer passiert, es ist alles nur eine große Übung in einer fremden Kultur.
Zwischendurch grüßten uns drei junge Kerle auf dem Fahrrad mit Hallo an, einfach so. Sie waren nur neugierig, aber es zeigt sich sehr, dass Fremde in Japan immer noch sehr speziell sind. Wir fragten sie dann auch gleich nach dem nächsten Internetcafé. Dort musste ich mir für das gratis Internet einen Freischaltcode durch Eingabe der Mailadresse an meine Mailadresse schicken lassen. Ähhhh… da ich kein Internethandy habe wie jeder Japaner war dann die Lösung, die Mail am Festrechner zunächst abzuholen um dann den Laptop zu benutzen. Der Kellner war sehr hilfreich, wie die meisten Leute, vor allem Angestellte, es in Japan sind.
Deutschland ist nicht nur eine Servicewüste, Deutschland ist meiner Meinung nach in der Steinzeit, was zwischenmenschliche Beziehungen angeht. Ich stelle ständig fest, dass die Leute hier entweder gekonnt ignorieren (oder tatsächlich die Straßenseite wechseln) viel häufiger aber interessiert bis neugierig gucken und auch grüßen. Vor Allem, nachdem man im Bus Platz gemacht hat. Hallo!? Ab morgen fahre ich dann mit dem Fahrrad auf viel zu niedrigem Sattel in die Stadt. Geht dreimal schneller als Bus, der drei Runden extra dreht.
Heute habe ich etwas spät das Internetcafe entdeckt. Dann musste ich auch schon wieder zurück, und bin trotzdem zu spät gekommen. Ich hatte mich nicht etwa auf dem Rückweg im Dunkeln verfahren, sondern in 50 Metern Entfernung vom Haus ca. 15 Minuten lang das Haus gesucht, da in den Straßen an dem Hügel, wo ich wohne, alle Häuser ähnlich aussehen. Das war so gar nicht gut, der Gastpapa war nicht begeistert. Aber da ich gestern eine ganze Wassermelone mitgebracht hatte, hielt sich die Empörung, dass ich erst 7:45 statt 7:30 Uhr zu Hause war, in Grenzen.
Ich frage mich aber langsam, wie diese Berichte auf die Deutschen wirken, die mit allen Erdenklichen Freiheiten ausgestattet das hier lesen. Man muss dazu sagen, dass andere Praktikanten jüngere Gasteltern haben, die ihnen auch mehr Freiheiten einräumen. Aber ich habe damit kein Problem, denn nach um 20 Uhr war ich sowieso todmüde. Den ganzen Tag japanisch interpretieren geht tierisch auf die Knochen. Kleiner Witz am Schluss: Mein Fahrradweg in die Stadt, obwohl sehr direkt, führt nicht absolut unzufällig an mindestens zwei Polizeistationen vorbei… von denen gibt es hier aber sehr viele und sehr kleine. Oyasuminasai!
Kulturelle Tretminen 2
Dieser Artikel wird mehrere Tage verzögert publiziert. Denn mittlerweile habe ich Internet.
Erster Schultag. Um 6:45 Uhr aufgestanden. Ich mache Praktikum in einer Medien- und Kunstschule. Die Zeitverschiebung ist wirklich hilfreich, ich weiß aber nicht wieso, denn wir sind Deutschland ja sieben Stunden voraus, nicht hinterher. 7:15 Uhr Frühstück extra von Mama zubereitet. Es gab warmes Weißbrot mit Marmelade, Pilzen und einen Gemüseteller. Ich muss aufpassen, mich nicht dran zu gewöhnen. 8 Uhr zum Bus, 8:10 Uhr in der Stadt angekommen. Ich muss in der Schule um 9 sein und laufe 5 Minuten von der Bushaltestelle dahin, aber obwohl Papa das mit der Stoppuhr gemessen hat, unter Grinsen von Gastmama, darf ich nicht den Bus um 8:26 Uhr nehmen.
Okay, macht nichts. Eine halbe Stunde verbringe ich gerne auch damit, die äußerst adretten Uniformen anzuschauen, die radelnd und laufend durch die Gegend huschen auf dem Weg in die Schule. Komischerweise sind es weitaus mehr Mädchen als Jungs. Das hat jetzt auch erst mal gar nicht so viel mit irgendwelchen unanständigen Gedanken zu tun, die sich zweifelsohne aufdrängen. Es sieht wirklich einfach nur äußerst extrem wahnsinnig schick aus und ist irgendwie witzig, denn vor allem morgens und nachmittags gehört es zum Stadtbild dazu wie in Deutschland der Radfahrer.
Darüber hinaus sehen die jungen Japanerinnen tatsächlich wie aus einem Anime geschnitten süß aus, zusammen mit den eleganten Frauen auf dem Weg zur Arbeit und den Männern, die alle oben weiß unten schwarz tragen. Es vermittelt ein Gefühl von Ehrfurcht vor diesem Land und diesen Menschen, mir kommt Europa zunehmend chaotisch, barbarisch und rüpelhaft vor (Entschuldigung). Um noch ein wenig bei dem Thema Mode zu bleiben: Die ist hier ebenfalls sehr wichtig. Gut gekleidet zu sein ist wichtig und man wird sich bereits Underdressed vorkommen, wenn man auf der Straße in kurzen Hosen rumgurkt. Das Stadtbild ist hier auch von kurzem Rock und allen Arten und Längen von Kniestrümpfen geprägt, was hier sehr elegant aussieht.
Trotzdem zögere ich meine Kamera zu offensiv zu benutzen, nicht nur dafür. Ebenso wie ich zögere auf offener Straße auffällig etwas zu essen oder Leute zu lange anzustarren. Das macht man hier einfach nicht, auch wenn alle sehr freundlich sind. Ich bleibe aber trotzdem immer der Fremde, der gerne auch mal ignoriert wird oder von Jüngeren neugierig-grinsend angeschielt wird.
Okay, also um 9 angekommen in der kleinen privaten Medienschule mitten in der Stadt werden ich und Jolinka erst einmal begrüßt und den Sensei (Lehrern) vorgestellt. Meishi (Visitenkarten) werden auch ausgetauscht. Ich merke, dass ich mir japanische Namen einfach nicht merken kann… Zum Glück kann die Lehrerin gut deutsch, denn meine Klassenlehrer können es gar nicht. Das wird bestimmt lustig. Ebenfalls vorgestellt wurden wir zwei dem Praktikanten, der den Rest des Vormittags erst einmal damit verbrachte, uns Utsonomiya zu zeigen. Wir schauten und also die lokale Shoppingmeile an und den sehr schönen Schrein. Anschließend hab es Essen, natürlich diesmal auf Kosten der Schule (hoffe ich jedenfalls, dass nicht unser Praktikant das bezahlt hat).
Nach einer japanischen Führung durchs Rathaus, von der ich und Jolinka genau gar nichts verstanden aber immer eifrig nickten und zustimmten, damit es endlich weiterging, besuchten wir noch kurz einen Anime- und Mangashop. Natürlich hatte ich schnell herausgefunden, dass der Praktikant auch auf Anime steht – wenn auch auf die Sorten, die ich so gar nicht gern sehe. Immerhin, einer der Lehrer erkannte die Lucky Star Figuren bei der Rückkehr. Sie wollten wissen, was wir gekauft hatten, doch zunächst wollte ich damit nicht rausrücken. Immer noch bin ich sehr auf der Hut vor jedweden Fettnäpfchen. Auch die Kommunikation mit Jolinka musste am Morgen zunächst den Formalitäten und Begrüßungen weichen. Später war es dann aber ein netter Rundgang durch die Stadt zu dritt, und ab 14 Uhr war dann frei. Ich rief meine Gastfamilie an und teilte wie versprochen mit, falls und dass ich noch in der Stadt bleiben möchte. In dieser Hinsicht sind sie wirklich sehr tolerant.
Also probierte ich in der Stadt noch einmal Takoyaki (Ich hoffe, das stimmt jetzt) den mit süßen Bohnenpaste gefüllten, fischförmigen Backteig (Uguu~~~). Auf dem Rückweg nahm ich noch sehr einfallslos die obligatorische Wassermelone mit. Zunächst wollte ich die Honigmelone einstecken, die hatte keine Preisauszeichnung. An der Kasse traf mich dann jedoch der Schlag. 30000 Yen, also 25 Euro, für eine Honigmelone. Ich überlegte fieberhaft, wie ich mich aus der Misere manövriere, und fragte dann ganz unschuldig und naivdämlich, ob das eine Wassermelone sei. Das war es nicht, und ich durfte mir eine Wassermelone holen, die ich natürlich von Anfang an wollte. Glück gehabt. Das ist Japan, und so etwas passiert einem ständig.
Okasan-Gastmama war jedenfalls sehr dankbar, es endete (natürlich trotz allem Widerspruch) in einer kurzen Fahrt zum Supermarkt und ich musste mir was Süßes aussuchen. Ziemlich unwillig tat ich es, denn nach den ständigen Festessen war mir so gar nicht nach irgendwas zumute und ich wollte auch nicht gleich den Gegenwert der Melone in den Korb legen.
Abends also wieder langes Abendbrot mit langer und erstaunlich tiefsinniger Diskussion über christliche, islamische und japanische Religion, wobei Letzteres ja nicht so wirklich Religion genannt werden kann. Das gemeinsame, ausführliche und lange Abendbrot (Dinner) wird zur Regel, oft mit bis zu zwei Stunden Essen und Reden. Ich hatte die große Ehre – glaube ich – dass ich den Hausaltar gezeigt bekam, gut versteckt im verschließbaren Schrank. Dort wird den Eltern und Großeltern und der Katze mit einem Bild, Kerzen und Räucherstäbchen gedacht und sie sind quasi als Gott-Ersatz immer präsent. Ich fand das komischerweise superspannend. Wir waren uns auch einig darüber, dass Religionen wie das Christentum oder der Islam, die monotheistisch sind und gegenüber anders denkenden Menschen ignorant bis intolerant sein können, uns nicht gefallen. Oder so ähnlich.
Anschließend sprachen wir über die Finanzierung von Studium und Japanreise, was nicht so einfach zu erklären war, aber meine Gasteltern müssen gemerkt haben, dass ich sehr sparsam bin. Nein. Sein kann. Denn nach Akihabara habe ich mich schon gewundert, wo meine Kohle geblieben ist, die ich aus Deutschland mitgenommen hatte. Das Abheben mit der Kreditkarte hat aber zum Glück gut geklappt.
Dann sprachen wir noch darüber, warum in Anime die Frauen immer die Starken sind und wie es im Rest der Welt so ist. Wahnsinn, worüber man sich bereits nach zwei Tagen unterhält, in Japenglisch. Man kündigte mir für das Wochenende einen Besuch im eine Stunde entfernten Ferienhaus (?) des Otosan an, das wohl auch einen Onsen beinhaltet. Womöglich vermietet er es. Ich stelle fest, dass ich die Familie noch gar nicht gut kenne. Doch ich werde zunehmend integriert, auch wenn ich immer noch nicht die Dusche hinter mir saubermachen darf.
Gestern und heute wieder strahlte ich wie ein Lebkuchen im Ofen, weil man mir einen guten „common sense“ nachsagte. Na wo das wohl herkommt – und wer wohl jetzt strahlt. Lag jedenfalls daran, dass ich ständig frage, ob ich darf und ständig darauf hinweise, doch nicht so opulent zu kochen – nur um sofort klarzustellen, dass es schmeckt. Außerdem bin ich wohl der Erste, der sich zurückrufen lässt damit die Gasteltern das nicht bezahlen müssen. Ich fasse es nicht. Vielleicht liegt es daran, dass mir so viel Toleranz von Seiten der Gastfamilie entgegenschlägt.
Doch endet die Toleranz auch, wenn es heisst: Nein, 8 Uhr Bus, alles andere ist zu spät. Ich nehme auch an, dass es noch andere Gründe hat. Also gut. Dafür konnte ich erfolgreich erklären, dass ich bei 25 Grad Nachttemperatur nicht das Fenster schließen werde, um nicht zu erfrieren.
Schlussbemerkung: Himmel, Arsch und Zwirn. Ich will endlich irgendwie Internet. Gastpapa erzählt mir mehrmals wie günstig Mailen ist, ich frage mehrmals, ob er immer das gleich zahlt egal wie viel er surft oder mailt. Trotzdem komme ich mit diesem Thema nicht weiter. Ich fühle mich wie Marco Polo auf dem Pazifik. Oder wo der da langgesegelt ist. Fotos geschossen bis Heute, Tag 13: ca. 1000 Stück. Allerdings zur Zeit dieses Beitrags keine besonders zeigenswerten, da ich alle Hände voll zu tun habe, mich einzuleben.
Ins unbekannte Land
Nämlich nach Utsonomiya. Schier endlos ziehen sich die Vorstädte Tokios dahin, während wir im Zug nach Utsonomiya sitzen. Zierliche Einfamilienhäuser mit schicken Gärten wechseln sich ab mit Industrievierteln und breiten Flüssen. Die Landschaft ist flach und unspektakulär, aber zweifelsohne typisch japanisch. Die verbleibende Gruppe ist klein geworden, die mit dem japanischen Professor nach Utsonomiya fährt um zu ihren Gastfamilien und Praktikumsplätzen zu gelangen. Einige sind bereits wieder abgereist, andere verbringen die nächsten Wochen in Tokio oder anderen Städten.
Ich bin gespannt auf meine Gastfamilie und ob ich die nächsten Wochen ins Internet komme. Ich bin ganz zerknirscht, dass ich es nicht mehr geschafft habe, mir in Tokio eine Telefonkarte zu besorgen um nach Hause anzurufen. Mal sehen, ob das bei der Gastfamilie möglich wird.
Vor dem Fenster ziehen Palmen vorbei, und wir haben heute wieder einen extrem schwülen Tag erwischt. Ich freue mich schon, aus dem klimatisierten Zug auszusteigen. Die Häuser hier draußen sind alle sehr flach. Mir gegenüber sitzt in dem Zug, der sich zunehmend leert, wieder einmal eine Japanerin die aussieht, als hätte man sie aus dem nächsten Hochglanzmagazin ausgeschnitten. Sie scheint den Gaijin, der ihr gegenübersitzt, gar nicht wahrzunehmen, aber natürlich ist es ganz anders.
Tag 1 bei der Gastfamilie
Es ist Sonntag vormittag. Ich habe die letzten 24h damit verbracht, mich in meine Gastfamilie einzufinden. Robert sagte, seine japanische Freundin hat gemeint, ich würde ja sowas von auf die Schnauze fliegen. Ich glaube, sie hatte recht. Meine Gastfamilie hat mich wie alle anderen auch mit dem Auto am Bahnhof in Utsonomiya abgeholt. Nach einer kurzen Rundfahrt durch die Innenstadt und vorbei an der Medienschule, in der ich nun wohl doch Praktikum machen werde.
Zu Hause angekommen, gab’s erst einmal Getränke. Nach zwei kleinen Hinweisen, die ich glatt übersehen habe und die mir erst abends auf dem Futon klar wurden, wurde ich erst einmal sehr direkt in die Dusche gejagt. Nicht, dass ich das nicht von selbst gemacht hätte, doch wurde ich so intensiv umsorgt, dass zu fragen noch keine Gelegenheit ergab. Anschließend verbrachte ich den Nachmittag mit den zwei älteren Herrschaften, deren Kinder längst aus dem Haus und im Ausland sind und die selbst viel gereist sind und schon viele Gaststudenten hatten, aber noch keine Deutschen. Es stand kommunikatives Training auf dem Programm, denn sie kann kaum Deutsch und er nur schlecht englisch und mein Japanisch ist so gut wie ihr deutsch. Allerdings ist Okasan (Mama) weitaus geschickter, mir auch ohne Sprache Dinge mitzuteilen.
Tag 2 bei der Gastfamilie
Wirklich, es ist ein interessantes Gefühl, wenn der geregelte eigene Tagesablauf komplett abgeschafft wird und durch einen anderen ersetzt wird. Heute am Sonntag hieß das, um 9 aufzuwachen, kalt zu duschen, opulentes Frühstück, Testbusfahrt in die Stadt mit Gastmama und Gastpapa wobei eher Gastoma und Gastopa, dort ein Mittagessen, dann Geld abheben, dann zurück, Nachmittag rumgedöst, die Hitze Hitze sein lassen, sich unterhalten, abends ne halbe Stunde raus zum Erkunden des Viertels (alleine, yay!), von einem dutzend Hunde vollbellen lassen, von der Hälfte der entgegenkommenden Leute gegrüßt, von der anderen Hälfte ignoriert, und dann opulentes Abendbrot und anschließend tiefsinnige Gespräche mit Otosan über Kunst, das Mysteriöse und Spannende an Dingen die man nicht kennt und den Fuji-san.
Weil das Wasser wohl ne Minute braucht bis es warm kommt in der Dusche und weil ich erst abends soweit war, dass ich fragen wollte, warum, fing der Tag also kalt an. Allerdings lief es heute richtig gut, wir konnten miteinander lachen und verstanden uns zunehmend besser. Ich lerne zunehmend japanische Wörter. Ich versuche auch, jetzt schon aus meiner Gastrolle auszubrechen, indem ich anbiete den Tisch abzuräumen oder Ähnliches oder es einfach tue. Ich glaube, wenn ich diesem Luxus im Hotel Mama noch länger ertragen muss, drehe ich durch. Ich bin allerdings froh, dass Gastmama mir die Wäsche gemacht hat, mal sehen ob noch alles passt hinterher…
Zuerst hatte ich belächelt, dass man mir die Busfahrt so genau erklärt hat. Als ich allerdings feststellte, dass ich die Busfahrpläne nicht lesen kann, weil ich ja nicht mehr in Tokio bin sondern in einem Dorf ähnlich Reutlingen, ist mir das Lachen vergangen. Ich komme mir jetzt endgültig wie ein Analphabet vor. Die Leute außerhalb Tokios sind ebenfalls zurückhaltender. Ich kann mir aber auch nicht verkneifen zu bemerken, dass mir heute in der Stadt alle 2 Minuten Mädchen im Seifuku (also Schuluniform) aufgefallen sind. In Tokio sah man das selten oder ich war am falschen Ort. Hier war es penetrant und gleichzeitig extrem ästhetisch. Leider war niemand da, der „Mund zu“ gerufen hat.
Ich habe den Eindruck, die Gasteltern sind ein wenig verwöhnt was Gastgeschenke angeht. Sie halten ein hohes Niveau was meine Fürsorge und das Essen angeht, und haben indirekt angedeutet, dass sie teure Gastgeschenke gewohnt sind – sofern ich das richtig interpretiere. Ich bin aber nicht bereit, da mitzumachen. Es ist ja gut, wenn sie erzählen, dass sie Christstollen mögen, aber zaubern kann ich auch nicht. Dabei ist das auch eine Zwickmühle, denn für das teure und gute Essen muss ich mich schon bedanken, bis ich es ihnen ausgetrieben habe, mich wie einen Fürsten zu behandeln.
Ich habe es immerhin geschafft, zu vermitteln, dass ich nicht wenig esse, weil es nicht schmeckt. Ich esse auch nicht wenig, weil ich nicht dick werden will… Außerdem hat mich Papa irgendwie in die Künstler-Schublade gesteckt und Media Art ist sein neuer Lieblingsbegriff. Kommunikativ ist es mir mehrmals passiert, dass auf direkte Fragen das Thema genauso direkt gewechselt wurde. Später kam man aber fast immer aus einer anderen Richtung drauf zurück. Stichwort Internet. Noch habe ich keins, aber ich bin zuversichtlich, denn hier schwirrt WLAN in voller Schutzmontur durch die Gegend.
Den ganzen Tag schon plagt mich das schlechte Gewissen, dass ich noch kein Telefonat absetzen konnte oder die Postkarten endlich verschicken kann. Ich hoffe ich kann beides morgen früh vor der Kunst- und Medienschule erledigen. Die Zeitverschiebung ist wirklich ein Graus.
O-Matsuri und Youth Week
Es ist gar nicht zu beschreiben, wie herzlich, warm und freundlich die Atmosphäre bei der Abschiedsfeier der Youth Week der Deutsch-Japanischen Youth Summit in Tokio war. Es wurden Dankesgeschenke ausgetauscht und wieder einige Millionen Fotos geschossen. Ich mit Dir, Du mit mir, wir mit euch, ihr mit uns, ich mit euch, ihr mit mir, wir mit uns, ihr mit euch. Leider habe ich – unverzeihlich – das Abschiedskonzert und den Beginn der Feier verpasst, weil mich Tokio zu lange in seinem Griff gehalten hat. Wie kam das?
Über Akihabara habe ich ja schon geschrieben. Also habe ich mit einem Freund zusammen am Freitag ein weiteres Mal dieses Viertel (sowie Ikebukuro, welches ebenfalls einem Otaku eine Menge bietet) besucht. Es ist unglaublich. Man mag ja glauben, nach vier Tagen hat man langsam alles gesehen. Ja Denkste. Jedes Haus hat sein dutzend Stockwerke, und wenn man nicht aufpasst, übersieht man gerne mal einen Eingang. In einer Seitenstraße jedenfalls war außerdem grade ein kleines O-Matsuri im Gange, sehr authentisch und sehr fröhlich. Die Menschen tanzten alle zu Trommel und traditioneller japanischer Musik und empfingen uns Gaijins sehr herzlich.
Bereits am Donnerstag abend waren wir dort extrem aufgefallen, da wir in Anzug und Krawatte sowie alle anderen Japaner überragend nicht zu übersehen waren. So probierten wir jede lokale Spezialität von diversen Fischspeisen bis zu dem berühmten gestossenen Eis mit Sirup. Ich würde dafür sofort jedes italienische Eis links liegen lassen, denn bei der Hitze ist das einfach nicht zu schlagen. Am Interessantesten fand ich die Mischung der Tänzer im Kreis um die Bühne zur Musik: da tanzten blutige Anfänger zusammen mit eleganten, in Kimono gekleideten Mädchen zusammen mit sehr niedlichen, in Kimono gekleideten Kindern zusammen mit einer Meido und einem Schulmädchen in Seifuku. So etwas sieht man nun wirklich nur in Japan.
So verbrachten wir den Abend auf dem Fest und merkten etwas spät, dass wir noch auf einem Abschiedsfest sein sollten. Dennoch, wir kamen noch rechtzeitig und klitschnass an, so dass wir uns nach einer kurzen Dusche zu besagtem Dinner und Abschiedsfest gesellen konnten. Ich ignorierte also noch etwas länger meine Füße, denn ich habe noch nie im Leben solche Schmerzen gehabt nach 11 Tagen Dauerlauf in Tokio. Es gab jeden Abend nichts schöneres, als sich im kühlen Luftzug der Klimaanlage aufs Bett zu werfen, den Laptop anzuwerfen und die Bilder zu kopieren. Ich darf gar nicht erzählen, dass es nicht nur einmal passiert ist, dass ich erst am nächsten Morgen Laptop und Zimmerlicht wieder ausmachen durfte. Einschlafen nach zehn Sekunden – das soll mir erstmal jemand nachmachen.
Aber zurück zum besonderen Abend. Das Interessante auf diesem Abschiedsfest von der Youth Week war die Beobachtung, dass die Japaner uns Deutsche weitaus häufiger beschenkten als umgekehrt. Ich hätte irgendwie erwartet, dass jeder der Deutschen mindestens einen Kontakt hat, dem er in irgendeiner Weise dankbar sein müsste.
Schließlich haben sich einige der japanischen Freiwilligen in dieser Woche unmenschlich verausgabt, um uns einen der schönsten Aufenthalte in einem Ausland zu bieten, die man haben kann. Eigentlich hätte der Hauptorganisator der freiwilligen Zusatzevents (wie Abends durch die Kneipen ziehen oder das Baseball-Spiel ansehen) mit Geschenken überhäuft werden müssen. Eigentlich war man darauf vorbereitet, dass man auf Gastgeschenke eine kleine Antwort haben sollte. Naja, ich bin wieder etwas lästig, entschuldigt bitte.
Sehr lieb fand ich die Mädels in meiner Gruppe, die nicht vergessen haben, dass ich am Ende des Youth Summit vor ein paar Tagen die Gastgeschenke für alle vier Japaner sponsern wollte und durfte, weil niemand etwas dabei hatte außer mir. Selbst obwohl wir am Tag davor mehrmals darüber gesprochen hatten. Aber ich kann das ein Stück weit nachvollziehen, denn ich habe mich auch mehrmals gefragt auf dem Weg zur Abschiedsfeier der Youth Week, ob es denn nun richtig ist, den drei japanischen Organisatorinnen etwas zu schenken, obwohl ich nichts wirklich mit Ihnen zu tun hatte. In der deutschen Kultur fragt man sich da gerne schnell mal, ob das nicht aufdringlich und zuviel des Guten ist.
Am Ende zeigte sich aber, dass es goldrichtig war. In Japan ist schenken wirklich nichts, was mit dem Sachwert zu tun hat oder mit der Größe des Geschenkes. Es ist die Art, Danke zu sagen. Ich bin außerdem ganz sicher, die Japaner haben ganz genau zur Kenntnis genommen, wie wir uns verhalten haben. Denn die Tatsache, dass unsere deutsche Hälfte der Youth-Summit-Themengruppe am heutigen Freitag etwas geschenkt bekam, war zum großen Teil eine Antwort und ein Dankeschön für die Geschenke (das „Danke“) des Youth Summit. Natürlich besteht die Kultur aus weitaus mehr als dem Schenken, aber es ist ein Paradebeispiel dafür, wie schwer es ist sich in dieser fremden Kultur zurechtzufinden. Manche haben es mehr im Blut als Andere, aber lernen kann es jeder der sich Mühe gibt.
Trotz aller Widrigkeiten war es also die genialste Woche meines Lebens, die freundlichsten Menschen die ich je kennen gelernt habe (auch auf deutscher Seite) und für alle sicherlich ein einmalig schönes Erlebnis. Das Karaoke habe ich trotzdem geknickt, sonst wäre ich wohl nicht mehr in der Lage am Samstag früh Koffer zu packen und zu meiner Gastfamilie zu fahren. Ich bin gespannt, was die nächsten Tage für mich bereithalten. Ich bin von Japan bisher absolut nicht enttäuscht worden – bis auf die fragwürdige Verfügbarkeit und Preis von Internet und den bekannten Badezeiten, die wir aber inzwischen weitestgehend aufgeweicht haben (Irgendwo auf der Welt ist immer Badezeit… Ich mach doch nicht das ganze Waschbecken nass… Ich habe gestern abend nicht…). Japan ist wirklich das Klischee, das jeder kennt. Nur ist es darüber hinaus noch so viel mehr. Danke an alle Teilnehmer, die sich die Mühe gemacht haben, an diesem Programm mitzuwirken.
Arigato.
Popkultur und junge Mode
Im Paradies Akihabara [Upd.]
Manga und Anime sind, so könnte man nach einem Besuch in Akihabara (und auch Ikebukuro) meinen, der Japaner einzigste Lieblingsbeschäftigung. Ich bin also am Dienstag dort von 13 Uhr bis 23 Uhr gewesen und auch am Donnerstag noch einmal und wie es aussieht aufgrund eines Versprechens auch am Freitag noch einmal. Also – Es folgt Tripple-Blogging der letzten Tage in Tokio, denn am Freitag ist am Abend Abschiedsfeier für alle Teilnehmer der Youth Week und am Samstag ziehe ich hier aus. Anschließend geht’s zur Gastfamilie (JA! Ich habe endlich eine!) nach Utsonomiya zwei Stunden von Tokio entfernt. Mit dem Shinkansen ist es nur eine Stunde, aber dann kostet es 50 statt 20 Euro, heisst es.
So, was gibt es über Akiba zu sagen? Mit offenem Mund kann man dort die Hauptstraße und die Seitengassen entlanglaufen. Dicht an dicht drängen sich mehrere Stockwerke hoch die Doujin-, Manga-, Anime-, DVD- und Elektronikshops. An jeder Straßenecke stehen zuckersüße Meidos und werben für eines der zahlreichen Meidocafés. Überall flimmert es von den Monitoren und man sieht sofort, dass zur Zeit die große K-on, Toradora, Spice and Wolf 2.0 und Haruhi 2.0 Marketingmaschine auf Hochtouren läuft. Die UFO-Catcher locken mit noch nicht käuflich verfügbaren Figuren, an jeder Ecke klimpert einem die Titelmelodie der Animes entgegen. Ohrenbetäubende Pachinko- und Spielhallen stehen dem Besucher ebenfalls offen.
Die schmalen, ein dutzend Stockwerke hohen Shops sind an der Außenfassade mit zahlreichen Plakaten beklebt und auch die Keller sind – extrem gut herunterklimatisiert – nicht zu verachten. Dort findet man nicht nur kleine Doujin-Geheimtipps sondern so man möchte auch die Ü18-Abteilungen aus dem Anime- und Realfilmbereich. Die Erotikabteilungen westlicher DVD-Verleihe ist gegen die sich mehrere Stockwerke hinziehenden Filmsammlungen übrigens ein Witz. Auch die DVD-Cover sind hier weitaus ästhetischer und wirklich ein Blickfang für den geneigten Besucher, im Gegensatz zu den Übelkeit erregenden DVDs in deutschen Shops.
Ich war allerdings nicht (so sehr) geneigt und wollte auch lieber ein bisschen im Anime-Merchandising stöbern. Allerdings muss man da wirklich Zeit mitbringen, die ich mir dann auch vom DJJG-Programm abgezwackt habe. Dafür auch an dieser Stelle noch eine Entschuldigung an die Organisatoren sowie die lieben Mitreisenden. Ich habe diverse (optionale) Veranstaltungen sausen lassen, um noch einmal nach Akihabara und andere Bereiche Tokios zu kommen. Die Ergebnisse der Beutezüge seht ihr auf den Fotos.
Selbstverständlich durfte auch ein Besuch in einem Meidocafé nicht fehlen. Die Komilitonen aus dem Animereferat der Hochschule Furtwangen wären kerzengrade und raketengleich durch die Decke gegangen, hätten Sie diesen Anblick genießen dürfen. Eigentlich wollte ich mit der Kollegin rein, aber da ich sie auf dem Handy nicht erreichte, blieb mir nur die Wahl zwischen Alleine rein oder Alleine nicht rein. Also reservierte ich mir einen Sitzplatz für ein Stündchen, bei der jungen verkleideten Japanerin die sofort auf mich zustürmte, als ich aus dem Fahrstuhl stieg und den zartrosa Raum betrat.
Dann durfte ich erst einmal das skurrile Schauspiel genießen, denn anders kann man es kaum nennen. Mehrere blutjunge Meidos in zuckersüßen Kostümen wuselten zwischen den Besuchern allen Alters und Nationalität hin und her. Hier spielte eine Meido grade Karten mit dem Japaner und ließ immer ein entzücktes Quietschen los, wenn Sie wieder gewonnen hatte. Dort servierte grade die Meido mit den hohen schwarzen Strümpfen und dem Totenkopf im Haar das Omelett, um es daraufhin mit Ketchup zu bemalen. Einmal die süße Katze aus Ketchup und Majo, bitte. Dann darf noch der Zauberspruch nicht fehlen, der dem Ganzen den guten Geschmack verleiht. Zusammen mit dem Gast wir lauthals ein „moe moe!“ gestikuliert, um den Reis noch ein wenig schmackhafter zu machen.
Am amüsantesten waren immer die Gesichter der neuen Gäste, die der Fahrstuhl gelegentlich in den Raum spuckte, während die Glöckchen am Windspiel aufgeregt klingelten. Mit offenem Mund und ungläubig staunendem Blick überlegten die Gäste, wie sie nun in Gegenwart der anderen Gäste auf diesen Ansturm an Süßwaren auf Beinen reagieren sollen. Wie überall in Japan sind aber auch hier die Regeln klar. Fotografieren und Anfassen verboten.
Die deutsche Anime- und Mangaszene ist verglichen mit dem Angebot in Akiba so unscheinbar und klein, dass man sie problemlos komplett hinter dem nächsten Ayanami Rei Pappaufsteller verstecken könnte. Nein, die sind leider nicht verkäuflich. Ich gebe zu, man muss sich zumindest ein wenig dafür interessieren, sonst könnte man schon auf den Gedanken kommen, das Lächerlich zu finden. Allerdings gibt es in Tokio so viele Verrückte, Interessante und Schräge Sachen… die man eigentlich glatt übernehmen sollte.
So frage ich mich jedes Mal, wenn ich vor einem der zahlreichen Automaten stehe und mich entscheiden muss zwischen heißem Kaffee, Eiskaffee, grünem Tee, Weizentee, Grillhähnchen mit Pommes und Teelimonade, warum gibt es das nicht in Deutschland? Weshalb zeigen die Ampeln in Deutschland nicht an, wie lange es noch dauert, bis es grün wird? Weshalb können wir in Deutschland nicht schon mit einer einzigen Karte berührungslos sowohl den Getränkeautomaten als auch die U-Bahn als auch das Handy bezahlen? Wieso haben wir in Deutschland keine dermaßen schicke, diverse Modeströmungen wie in Tokio? Weshalb schmeckt sogar der McDonalds und die Crepes in Tokio tausendmal besser als in Deutschland? Wieso bedankt sich in Deutschland niemand, wenn man ihm zum Vorbeigehen Platz macht? Warum macht in Deutschland niemand Platz, wenn Jemand vorbeigehen möchte? Wieso kann man in Tokio problemlos im dichtesten Gedränge eine empfindliche Plastiktüte mit Inhalt transportieren? Wieso wird man in Deutschland nicht als Kunde freundlich begrüßt und noch freundlicher verabschiedet, wenn man etwas gekauft hat? Wieso habe ich den Eindruck nach drei Tagen Tokio, dass ich schon einen Monat hier bin?
Es gab in Tokio Momente, da habe ich staunend, ehrfürchtig und mit einem tiefen Gefühl der Gerührtheit sprachlos Jemand gegenüber gestanden – und das nur aufgrund einer kleinen, eigentlich selbstverständlichen und zuvorkommenden Geste. Allerdings gab es das auch umgekehrt. Ich erinnere mich an die sehr süße junge Japanerin (die meisten Japanerinnen sind sehr süß, und sehr jung) die mir mit offenem Mund und freudigem Ausdruck hinterher geschaut hat, da ich ihr für sie völlig unerwartet Platz gemacht hatte. Aber es macht auch Spaß, wenn man dafür ein Dankeschön erntet. Auch dies ist wieder nur ein kleines Beispiel für eine der vielen beeindruckenden Arten, wie Japaner menschlich miteinander umgehen.
Ich möchte aber damit nicht sagen, dass wir hier ein Paradies haben. Ich wähle als Beispiel hier nur zwei Dinge. Da sind zum Beispiel die alten, verfallenden Gebäude im Zentrum Tokios. Direkt an die neuen modernen Bauten angrenzend, scheint sich niemand um sie zu kümmern und sie zu sehen. So wie die Obdachlosen Menschen, die ebenfalls übersehen werden. Zum Teil schlafen sie in manchen Stadtteilen mitten auf dem Fußweg. Offiziell existieren sie jedoch gar nicht. Ich wollte auch noch die unbekannteren Viertel Tokios besuchen, die Hafenviertel, die Seiten an Tokio, die der Tourist nicht sieht. Leider blieb für alles zu wenig Zeit. Daher werde ich noch bis zum nächsten Japanaufenthalt warten, bevor ich mir mein euphemistisches Bild Japans zerstöre.
Update ab hier: In Ikebukuro gibt es in der Sunshine City auch eine Anime- und Mangameile, die ist zwar sehr viel kleiner als in Akiba, aber auch sehr viel billiger.
Youth Summit 2009
Montag war Präsentation und Abschlussfeier im Goethe-Institut. Ich also noch schnell Krawatte und Anzug aus der Hand gelegt und zu Hause gelassen, sich wohl an die Temperatur-Katastrophe vor einigen Tagen erinnernd. Und es war kein Fehler, ich war allerdings etwas stinkig gegenüber den Deutschen, die in kurzer Hose und T-Shirt kamen. Den Japanern sehe ich das nach, die wurden vielleicht auch nicht informiert. Vorher haben wir aber noch kurz im nahe gelegenen Meiji-Schrein Harajuku-Omotesando vorbeigeschaut. Morgenpredigt der Priester in Begleitung unserer in drei Teile aufgesplitteten Reisegruppe. Dieses Spektakel hätte ich mir lieber gespart.
Naja, dann gab’s halt Präsentationen, die inhaltlich wie zu erwarten war keine Meilensteine setzten. Das war meiner Meinung nach ja auch nicht das Hauptziel des Youth Summit, sondern das, was gestern passiert ist. Die Popkultur/Otaku-Gruppe erzählte von ihrem Besuch in Akihabara, den ich neidisch verfolgte und am Dienstag selbst reproduzierte. Deswegen sitze ich jetzt auch diesen Beitrag schreibend mit einem dutzend Blasen an den Füßen und einer ganzen Tüte Jagderfolg da.
Nach den Präsentationen stellte uns die Vereinsleitung noch ihre Ideen und Träume für die Zukunft der Veranstaltung vor, die dieses Mal bereits doppelt so groß geworden war wie letztes Mal. Ich bin sicher, sie wird sich zu etwas ganz Besonderem entwickeln, wenn zwei Bedingungen erfüllt werden. Es müssen sich mehr Leute finden, die an diesen Verein bereit sind zu glauben und sich in ihm engagieren. Und die Administration darf den Boden unter den Füßen nicht verlieren. Ich weiß, so etwas aus meinem Munde, grade Ersteres.
Ich habe gesehen, wie viel Arbeit und wie wenig Schlaf und Essen diese Leute investiert haben, um uns diese Woche zu bieten. Das verdient höchsten Respekt, insbesondere auch den drei Japanerinnen Haruka, Aya und Chiemi. Die haben ganze Nächte ohne Schlaf verbracht und dann auch das Frühstück ausgelassen. Dazu wäre nicht mal ich im Stande gewesen. Also großes Danke und Geschenke auf der Bühne. Die Organisationswut der Japaner ist ohnehin bewundernswert.
Kleinste und Banalste Sachverhalte werden aufgeteilt, aufgeschrieben, in der Gruppe besprochen und dann wie am Schnürchen umgesetzt. Dermaßen penibel, dass es mir peinlich war, als ich das zweite Mal nach der Anzahl der Personen in meiner Dokumentationsgruppe gefragt wurde und keine Antwort wusste. Die Gruppe existiert allerdings zur Zeit quasi sowieso nicht, weil wir ja im hier und jetzt Leben und ich sogar für das Blog kaum Zeit aufbringen kann und manchmal sogar will.
Na, dann ging‘s jedenfalls weiter mit einem extrem beeindruckenden und mitreißenden Konzert klassischer japanischer Musik. Ich weiß leider grade nicht, wie das Instrument heißt, aber die Bilder sprechen für sich. Des Weiteren waren die japanischen Trommler hautnah zu erleben, die wohl auch schon auf dem Japantag in Düsseldorf auf der Bühne standen, wenn ich nicht irre. Wahnsinn.
Es zeigte sich dann bei der Abschlussfeier, dass die Japaner nach einem Becher Bier schon kräftig Einen sitzen haben. Während die Deutschen noch todnüchtern herumstanden, flippten die Japaner bereits aus und sorgten für gute Laune. Dank geht auch an die DJJG für das leckere Buffet. Dann verfielen alle in eine Art Fotowahn zum Abschied jener Teilnehmer, die sich am nächsten Tag davon machen würden. Es wurden viele Geschenke ausgetauscht.
Ich verzog mich anschließend gegen neun Uhr noch mit Natasha nach Shibuya, um ein Eis zu essen und mir die Geschichte vom treuen Hund Hatchi erzählen zu lassen. Das scheint wirklich ihr Lieblingsplatz zu sein in Tokio. Die Amerikaner verfilmen die Geschichte übrigens offenbar grade mit Richard Gere. Das kann ja nur Hollywood werden, bäh. Und die Hauptrolle spielt kein Japaner? Naja.
Auf dem Trockenen
Liebe Leser, aufgrund schwieriger Verhältnisse werden in der nächsten Zeit, nun, da ich ein Internetcafé im Ort meiner Gastfamilie Utsonomiya gefunden habe, die alten Beiträge die schon auf Publizierung warten nachgeholt. Bitte also nicht wundern, wenn ich über Akihabara schreibe, obwohl ich seit dem Wochenende schon in Utsonomiya bin.
Kulturelle Tretminen
Wie ihr vielleicht ahnt, sind die Blogbeiträge immer ein bis zwei Tage verzögert. Das bedeutet, ich war bereits am freien gestrigen Dienstag in Akihabara, während ich eigentlich den Beitrag für das Wochenende schreiben sollte. Aber das mache ich jetzt etwas zusammengefasst. Es folgt also die Zusammenfassung für Sonntag und Montag, 16+17. August. An diesen Tagen fand der Youth Summit seinen Höhepunkt und Abschluss.
Am Sonntag waren wir viel unterwegs, bevor wir uns an die Diskussion und Vorbereitung der Präsentation für den Höhepunkt des Youth Summit am Montag machten. Die Bilder erzählen auch heute wieder mehr, als ich über die Tempel und Schreinbesuche schreiben könnte. Wie üblich hatten wir wechselweise 30° im Schatten und Ohne bei üblich hoher Luftfeuchte.
Der Museumsbesuch erzählte uns die Geschichte Japans im Blickwinkel von Krieg und Frieden, Sieg und manchmal auch Niederlage. Die Darstellung einiger Sachverhalte war ein bisschen gewöhnungsbedürftig oder nur sehr indirekt verständlich, vor Allem wenn es um Niederlagen ging oder gar den Ausgang des 2. Weltkrieges. Ganz wichtig war immer, eine Entschuldigung für jede offensive Handlungsweise zu präsentieren. Ich möchte nicht sagen, dass die Darstellungen falsch waren, aber sie waren manchmal dermaßen verzerrt, dass man sich fragt, welche Darstellung die „korrektere“ ist – die westliche oder die Japanische.
Unser japanischer Gruppenleiter sowie die anderen drei Japanerinnen und Japaner haben die Gruppe super geführt und den Rundweg mit diesem Museumsbesuch beendet. Zwischendurch gab’s leckere Yakusoba-Nudeln mit Zimtgeschmack. Anschließend haben wir uns am Sonntag ab 17 Uhr zusammengesetzt, um die Präsentation vorzubereiten. Ich weiß nicht, ob es nur daran lag, dass unser Gruppenleiter offenbar das Ganze unter „Präsentation“ eingeordnet hat statt „Gruppenarbeit“, aber es war eine ziemlich krasse Erfahrung.
Denn im Gegensatz zu den Deutschen gibt’s bei den Japanern keine Diskussionskultur. Die Mitglieder der Gruppe sind dazu da, den Präsentationsführer zu unterstützen, nickend dazusitzen und hinter ihm zu stehen. Die Inhalte des Vortrags sind oft bereits vorher festgelegt und auch die Argumentationskette. Somit war unser Gruppenleiter absolut aus dem Konzept gebracht, als die Deutschen angefangen haben, „warum“ zu fragen. Er war des Weiteren äußerst unglücklich über die Antworten auf seine Fragen (was schon ungewöhnlich genug ist, dass er uns in dieser Vorarbeit etwas gefragt hat). Mit den langen, kritischen Antworten hat er ebenfalls nicht gerechnet.
Hinzu kam die Kommunikationsbarriere, so dass das Chaos perfekt war und er unsere Gruppe kurzerhand zum Abendbrot geschickt hat. Die anderen Japaner in der Gruppe haben sich bis dahin auffällig zurückgehalten, obwohl sie Englisch können. Ich glaube, sie haben es längst kapiert oder kennen die deutsche Diskussion bereits.
Wir Deutschen haben uns also sofort nach dem Essen zu einer Krisensitzung zusammengesetzt und uns an die japanische Diskussionskultur erinnert. Nach dem Essen hat unser englischbefähigter Japaner aus der Gruppe übernommen. Dies allerdings hat wenig später trotz oder gerade aufgrund erfolgreicherer Leitung zu einem für Japaner ziemlich heftigen Streit geführt. Schließlich bedeutete das für unseren Gruppenleiter einen Gesichtsverlust sondergleichen. Während er also noch hinter mir ausrastete „ore, ore!“ haben wir versucht ihn wieder einzugliedern. Dies gelang dann auch mit viel Augenkontakt und Aufmerksamkeit für ihn sowie einigen hochspannenden sozialen Verhaltensweisen innerhalb der vier Japaner, was beobachten zu dürfen eine große Ehre und eine spannende Geschichte war.
Die Präsentation wurde dann anschließend wohl typisch japanisch zu Ende gebracht. Die Japaner schrieben alles auf und erstellten die Folien, während wir nickend und zustimmend aber etwas ratlos daneben gesessen haben. Dieser Spaß war dann um halb zwei Uhr morgens vorbei. Es gab andere Gruppen, die schneller fertig waren, ja. Es gab auch andere Gruppen, die bessere Präsentationen hatten, ja. Aber ich vermute, keine hat so viel gelernt dabei wie Unsere. Und böse ist uns unser japanischer Gruppenleiter anschließend auch nicht gewesen, denke ich.
Tokio Sightseeing
Heute gibt’s wohl mehr Fotos als Text, denn diese sprechen für sich. Das erste Mal fühlte ich mich nicht hektisch herumkommandiert sondern konnte in die Kultur eintauchen und in einer kleinen Gruppe stressfrei Tokio erkunden. Unser Gruppenleiter führte uns nach Asakusa, wo Schreine und Tempel an die Kultur und Tradition Japans erinnern. Auf mich machte das alles einen sehr touristischen und kommerzialisierten Eindruck, und ich bin sicher den älteren Bewohnern Tokios geht es genauso. Shoganai, würden die Japaner sagen. Dem ist nicht zu helfen. Japan öffnet sich der Welt und muss lernen, damit klug umzugehen.
Unsere Gruppe besteht ja zur Hälfte aus Japanern und Deutschen. Darüber hinaus haben wir ein sehr breites Spektrum an individuellen Eigenheiten der Teilnehmer. Japaner, die kein Englisch verstehen. Deutsche, die sich nicht so gut an die Kultur anpassen können wie andere. Japaner, die sich sehr typisch japanisch verhalten. Deutsche, die nicht merken, wenn sie den japanischen Gruppenleiter überrumpeln. Japaner, die sich überhaupt nicht japanisch benehmen (die Mehrheit, und eine gefährliche Mischung von kulturellen Stolperfallen).
Die deutschen Teilnehmer, die sich zu benehmen wissen, mögen mir verzeihen, wenn sie das hier lesen. Ich bin zum Teil schockiert bis angewidert, wie sich manche deutsche Teilnehmer verhalten. Da wird dann einfach mal direkt nach einer Bootsfahrt gefragt, und mehrmals nachgehakt bis der Gruppenleiter einlenkt (und sich später nur mit Hilfe der japanischen Kollegin aus der Schlinge retten kann, um den Zeitplan seiner für uns akribisch vorbereiteten Tour einzuhalten). Und weil er dann wegen uns Trödlern einen Programmpunkt nicht erfüllen kann, muss er sich bei uns entschuldigen.
Nun, zwischendurch waren wir gemeinsam zu Mittag. Echt genial. Auch wenn unser japanischer Gruppenleiter manchmal den Eindruck machte, als habe er zu viele Schlaftabletten genommen, war er sehr gut vorbereitet. Das Essen fand in einem typischen japanischen Restaurant auf Tatami statt, was für eine sehr unbequeme Sitzhaltung sorgte. Ich konnte dann aber endlich ein kleines Experiment veranstalten. Während sich die Deutschen selbst reichlich bedienten, bis die Kanne mit Wasser leer war, schenkte ich unserer ruhigen und stillen Typisch-Japanerin ein. Wie erwartet wurde mir angeboten, mir nachzufüllen. Es geht durchaus, sich an die Kultur anzupassen, ohne seine eigene Identität zu verlieren. Auch das korrekte Ablegen der Essstäbchen wurde von der Japanerin anerkennend zur Kenntnis genommen. Ich war echt happy, dass das ganze Anime gucken nicht völlig umsonst war. Gut, genug selbst beweihräuchert, es sind eben nicht alle auf dem gleichen kulturellen Wissensstand. Das Foto ist… naja ^^“
Nach der Diskussion hieß es flott duschen, denn um halb acht ging es weiter zum O-Matsuri, dem alle drei Jahre stattfindenden Festival in Tokio. Leider macht es um 10 Uhr bereits zu, so dass wir nur einen Hauch dessen erhaschen konnten, was uns dort erwartet hätte. Es findet zwar am Sonntag noch einmal statt, aber da hat die DJJG schon einen Arbeitstag angesetzt, das heißt Diskussion und anschließende Präsentationsvorbereitung (Nach einem langen und ausflugreichen Tag).
Ich lasse mich gerne vom Gegenteil überraschen, aber ich frage mich, ob wenige Stunden interkultureller Austausch und das Anfertigen einer Präsentation am Sonntag Abend durch vom Reisen müde Teilnehmer so innovativ und zukunftsweisend sein können, wie es der Summit gerne wäre oder wie ihn die DJJG gerne hätte.
Und das nächste Mal: Wieviel Bier verträgt ein Japaner?
Fail.
Wann ich mal schlafen soll, hat sich soeben herausgestellt und mir den Rest des Abends versaut. Scheisse, wieso kann man nicht mal für eine Woche ohne Schlaf auskommen? Viel Spektakuläres gibt es heute daher nicht zu berichten. Die Eröffnung des Youth Summit artete in einer Mammutveranstaltung aus. Bitte nicht falsch verstehen, ich finde das alles ganz toll. Aber ich schreibe hier eben jede Geschmacksrichtung nieder; ich kann daher nicht abstreiten dass ich am Ende der Veranstaltung, die weitestgehend darin bestand in der Halle des Goethe-Instituts in Tokio zu sitzen und sich Vorträge und Dankesreden anzuhören, quasi am Einschlafen war.
Dabei waren die Vorträge der hochrangigen Gäste durchaus hochspannend, aktuell und relevant für die Gruppenarbeiten in den nächsten zwei Tagen. Nach Grussworten der DJJG, MEXT, BMBF und MOFA hielt der deutsche Botschafter Daerr die Eröffnungsrede. Die Keynote Speech kam von Sonderbeauftragten des japanischen Kabinetts, Botschafter Nishimura. Wir hörten des weiteren einen Beitrag von Dr. Mochizuki von der United Nations University zum Thema „Background and Principles of Education and Sustainable Development“.
Es folgten noch zwei Kurzfilme. Einmal ein preisgekrönter Film der Immanuel-Kant-Schule Bemerhaven mit einem etwas einnehmenden Regisseur namens „Denk Mal – Mahn Mal“, der auch in Japan wieder kräftig am Material sammeln ist mit einer eigens angereisten Gruppe. Das andere ist ein Film des Azusagawa High School Broadcast Club der Präfektur Nagano unter Leitung von Ms. Saito mit dem Titel „12,7%“. Vergleicht man die beiden Filme, merkt man sofort wie sehr Ästhetik (sowohl der Bildgestaltung, als auch der Sprache und des subtilen Humors) den Japanern im Blut liegen. Während der deutsche Film sehr plump und grobschlächtig ausgeführt daherkam und in allen Bereichen gewisse Mängel aufwies (bis auf die Idee, die gut umgesetzt war), konnte der japanische Film selbst ohne Untertitel überzeugen, auch vor Allem durch eine sehr begabte Amateur-Seiju. Falls jemand den Film bei Youtube findet, bitte dringend Bescheid geben.
Achja, die Gruppen wurden nun auch gebildet. Es zeigt sich, dass viele der deutschen Teilnehmer extreme Probleme zu haben scheinen, sich auf die japanischen Mitglieder einzustellen. Interkulturelle Kompetenz ist nun einmal sehr schwer zu lernen, wenn man sie nicht bereits von Haus aus mitbringt. Eine japanische Teilnehmerin erzählte mir, sie studiere diesen Begriff sogar als Studienrichtung. Der Rest des Tages bestand aus sich kennen lernen und Gruppenvorstellungen.
Für den Abend war eine Schnitzeljagd in Tokio angesetzt. Ich würde mich jedoch mit eigenem Ziel verzogen haben, zumal unser Gruppenleiter sich mit der Begründung er müsse arbeiten nach der Veranstaltung ebenfalls verzogen hat. Ich wollte nach Akihabara, dem Elektronik- und Otaku-Mekka. Allerdings wurden aus 5 Sekunden auf dem von der Klimaanlage gekühlten Bett dann mehrere Stunden. Wer es nicht weiß: Die Geschäfte in Tokio schließen um 22 Uhr, die letzten Metros fahren gegen 24 Uhr. Somit war der Tag gelaufen. Vielleicht bekomme ich ja am Samstag nach dem gemeinsamen Tokio-Rundweg noch Gelegenheit. Leider bin ich ja nicht in der Popkultur-Gruppe gelandet, sondern in Jener mit dem Thema „Tokios traditionelle Bausubstanz und ihr Erhalt“ oder so ähnlich. Zum Fotografieren wird es genügen, während der Rest der Gruppe auch noch auftaut.
Morgen folgt ein Beitrag mit vielen Fotografien, denn ich war zum ersten Mal in einem angenehmen Tempo mit der Kleingruppe unterwegs und konnte echtes japanisches Mittagessen genießen sowie traditionelle Tempel und Schreine und den letzten Rest eines O-Matsuri (Festival). Der Youth Summit dauert noch bis Montag an, dann reisen viele Teilnehmer wieder ab. Anschließend geht die Youth Week noch bis Freitag. Ich habe erfahren, dass für mich noch immer keine Gastfamilie bekannt ist. Allerdings wurde mir nun plötzlich ein Praktikum in Aussicht gestellt. Wir werden sehen!
Ich habe mich inzwischen an die Hitze gewöhnt und kann weitestgehend aus dem Haus gehen, ohne sofort in Schweißausbrüche zu verfallen. Das ändert aber nichts daran, dann man am Ende des Tages tunlichst duschen sollte. Da ich es gestern nicht geschafft habe, habe ich heute morgen eine These geprüft, die die Mädchen mir gesagt haben. So war tatsächlich die Aussage, die Duschzeiten seien wegen des abgeschalteten Boilers eingeschränkt, wieder mal ein typisch japanischer Schlenker. Warmwasser gibt’s rund um die Uhr, und so erdreistete ich mich tatsächlich, am frühen Morgen die Dusche nachzuholen.
Übrigens, die Japaner haben eine ziemlich versetzte Zeit. Die Sonne geht schon um halb sieben unter und bereits gegen fünf Uhr auf (grob geschätzt). Noch weitere interessante Beobachtungen: In Pachinko-Hallen herrscht ein ohrenbetäubender Lärm. Die japanischen Zikaden sind Riesenviecher und genauso laut. An jeder Ecke piepst irgendwas und jedes mal etwas anders.
Botschaftsbesuch
Zum Frühstück gab es heute Variationen mit Reis, angereichert mit länglichem, orangenem, fruchtig riechendem Etwas. Dazu eine Miso mit Algenblättern, Omelett mit undefinierbarer, aber sehr leckerer Gemüsefüllung. Als Getränk servierte ich mir ein eiswürfelgeschwängertes Zitruskombinat. Zum Nachtisch (des Frühstücks) gab es rote und weiße Geleeartige Würfel in Sirup. Die mikrobiologisch verdauten Sojabohnen, die man sich über den Reis kippen kann, habe ich lediglich probiert, dann aber doch lieber bleiben lassen. Der Rest war totemo oishi. Das Mittagessen war auch gut, aber da ging nicht mehr viel. Die meisten Speisen waren sehr naturbelassen. Roh und knackig bis zum Wiederkäuen. Aber überwiegend exzellent.
Dazwischen hat uns die DJJG noch unsere Programmplanung koordiniert, bevor wir uns um 16 Uhr auf den Weg in die deutsche Botschaft machten. Beim Verlassen des Yoyogi Geländes begegnete mir das Erste von mehreren japanischen Wunder(lichkeite)n an diesem Tag.
Dresscode A+ bedeutete in dem Fall Selbstmord, und so stapften wir tapfer Richtung U-Bahnhof, während die Schweißtropfen an den Krawatten Rinnsale bildeten. Nach zehn Minuten Fussweg waren wir alle von oben bis unten klitschnass und freuten uns tierisch über die klimatisierten Wagen (angenehme gefühlte Minus zehn Grad). Das Spielchen wiederholte sich mehrmals, bis wir am beeindruckenden Grundstück der deutschen Botschaft ankamen. Mitten in Tokio gelegen, ist es eine Residenz mit großem und liebevoll detailliert ausgestaltetem japanischem Garten.
Der deutsche Botschafter begrüßte uns, hielt sich aber erfreulich knapp. So wurden die Sakkos dann für symbolische 30 Sekunden angezogen, „um zu zeigen, dass ich so etwas habe“, so der deutsche Botschafter gut gelaunt. Nach einigen Dankesworten der DJJG wurde dankbar die Getränke- und Grilltheke gestürmt. Der Rest des Abends verlief sich dann im Garten und führte zu vielen interessanten und multikulturellen Gesprächen zwischen den deutschen und japanischen Teilnehmern der Youth Week. Die japanischen und deutschen Teilnehmer alleine des Youth Summit würden ja erst am Freitag zur Eröffnungsveranstaltung erscheinen, womit wir dann bei etwa zweihundert Personen wären, wenn ich es noch richtig weiß.
Ich selbst wurde bald von drei netten japanischen Mädchen gestürmt, die völlig unjapanisch eine Art Verhör mit mir durchführten. Dabei galt es, allen Dreien höflicherweise möglichst die gleiche Aufmerksamkeit zu schenken. Später sollte ich mich noch lange in gebrochenem Englisch mit zwei von Ihnen unterhalten. Unter vielen lustigen Missverständnissen und Metaphern zur Erklärung von Sachverhalten konnte man sich so ein wenig besser kennen lernen.
Aki-san war witzig, denn sie verfiel gerne in die japanische Eigenart, meine Sätze mit „hai“ zu kommentieren – auch Fragen. Die zweite Japanerin dagegen ließ sich von mir den nicht verstandenen Satz, dass es neben denen von Hayao Miyazaki noch viele andere interessante Animeserien gibt, anhand eines Busches erklären. „Kore leaf Miyazaki desu. Sore Busch Anime desu. Moto moto desu, many many different”. „Hai“. Themenwechsel.
Als gegen acht Uhr der Gartenempfang aufgelöst wurde, hatten die Meisten die Nase noch lange nicht voll, denn nun begann ja die rare Freizeit. Zunächst zu fünft machten wir uns auf Richtung Shibuya, dem Einkaufs- und Vergnügungsviertel Tokios einige U-Bahnhalte weiter. Bis wir jedoch die private Bahnlinie gefunden hatten, musste uns eine unschuldige junge Japanerin begleiten. Wir hatten Sie nach dem Weg gefragt – also hat Sie ihn uns gezeigt. Ich habe es ja irgendwie kommen sehen. Nachdem Sie herausgefunden zu haben schien, wo es lang geht, fuhr Sie mehrere Haltestellen mit uns mit. In Shibuya angekommen, machte Sie eine dermaßen erleichterte Miene, dass Natasha nicht umhin kam, ihren letzten Vorrat Gummibärchen aus der Tasche zu klamüsern, was die Japanerin offenbar äußerst verblüffte und positiv überraschte, denn sie warf sich Natasha beinahe an den Hals. Hätte ich nur mal was in der Tasche gehabt. Es zeigt sich, dass die Erfahrungen der Japaner mit Ausländern immer noch ambivalent zu sein scheinen.
Kurz nach dem Verlassen der Bahn dann die erste Schreckensmeldung: Der Kollege hat seinen Pass verloren. Also standen wir nun 50 Meter vor der berühmtesten Kreuzung der Welt, umgeben von grell leuchtenden Wolkenkratzern und fragten uns, wie viel Priorität ein verlorener Pass denn jetzt grade hat. Natasha und der unglückliche Begleiter verschwanden in der nahe gelegenen Polizeistelle für einige Minuten, nur um dann grinsend mit dem Pass wieder zu erscheinen. – Nein, fragt nicht, ich weiß es auch nicht und es soll eines von Tokios Geheimnissen bleiben.
Bald machten sich unsere Begleiter jedoch schon davon, so dass wir zu zweit unter ortskundiger Führung von Natasha ein paar Premieren feierten – vor Allem für mich. Das erste Wassereis mit Sirup, das erste Mal die Kreuzung in Shibuya überqueren, das erste Mal Tokios Pulsschlag sehen und fühlen. Wohlgemerkt, immer noch im Anzug des Botschaftsbesuches und am Anschlag der Erträglichkeit quälten wir uns durch die Lichtschluchten dieses Stadteils. Gegen halb elf entschieden wir, uns auf den Rückweg zu machen, um noch rechtzeitig zu den Badezeiten im Yoyogi einzutreffen, denn um halb zwölf ist Warmwasser-Abschaltung und Duschverbot.
Ob dieser Bevormundung lauthals in der U-Bahn fluchend verpassten wir jedoch unsere Anschlusshaltestelle. Ich darf eigentlich gar nicht erwähnen, dass wir noch eine weitere halbe Stunde benötigen würden um sich langsam mehrmals um den Zielbahnhof pendelnd einzufinden. Und da sollte man meinen, bei einer Zuglinie die nur linksrum oder rechtsrum fahren kann, kann man nicht viel falsch machen…
Am Ende hat es dann doch gereicht, für eine western style Dusche und einen Kampf mit dem Telefon, dass noch nicht sein Geheimnis preisgeben wollte, internationale Anrufe zu tätigen.
Dafür verzauberte mich zum letzten Mal an diesem Tag die Toilettenspülung. Die war so begeistert mich begrüßen gedurft zu haben, dass sie mit Spülen gar nicht mehr aufhören wollte. Aber das Yoyogi hat immerhin eine zuverlässige Nachtwache die gerne weiterhilft. Wie auch immer, jedenfalls frage ich mich langsam, wann ich mal schlafen soll, wenn die Blogeinträge immer nachts entstehen müssen…
Pudding in Knien, Ameisen im Hintern
Während ich bereits dem Aural Vampire Album lausche – schon irgendwie guter, musikähnlicher Krach – flattert die Pressemitteilung der DJJG ins Haus. » Pressemitteilung Youth Summit 2009 [PDF]
Am Dienstag geht’s los, dann werde ich feststellen ob 11 Stunden Flug so schlimm sind wie alle behaupten, ob man in Japan trotz toller Infrastruktur dank der Preise handytechnisch auf dem Trockenen sitzen wird, ob Internet wirklich an jeder Ecke verfügbar ist, ob es im Yoyogi-Park tatsächlich von Cosplayern und japanischen Anhängern der lokalen Popkultur nur so wimmelt. Hoffentlich funktioniert dann auch Twitter wieder, denn schließlich haben wir es nicht nur zum Spaß eingebaut.
Mittlerweile steigt der Neidpegel der Mitmenschen zum Teil in sphärische Höhen, wofür ich mich entschuldigen möchte und was ich gut verstehen kann. Ihr seht, ich werde zunehmend Japanisch. Hoffen wir, dass der Flug trotz zweier Taifune in der Gegend überhaupt stattfinden kann und trotzdem lustig wird… Konbanwa!
Themen des Youth Summit 2009 in Tokyo
Die DJJG hat die Themenauswahl der Youth Week veröffentlicht. In den vier Bereichen Bildung, Gesellschaft, Umwelt und Lifestyle werden sich hunderte Teilnehmer aus Japan und Deutschland in mehreren Gruppen austauschen. Der Youth Summit ist Teil der Youth Week.
Zu den Gruppeninhalten zählen aktuelle Themen wie »Elections 2009 in Japan and Germany« ebenso wie spannende und kontroverse Themen wie »Whaling – the background and the controversy«, des Weiteren »Children’s Rights – Child Abuse«, »Pop Culture in Japan – Pilgrimage of Otaku Mecca«, »How we keep and improve our traditional culture?« um nur Einige zu nennen, sowie zwei Sondergruppen, die sich an einem Filmprojekt und der Gesamtausrichtung des Youth Summit und seiner Dokumentation widmen. Die komplette Übersicht mit Statements der Gruppenleiter gibt es auf der Website. Großes hat man sich vorgenommen, denn es ist sicher nicht einfach ein internationales Netzwerk an aufgeschlossenen, vorurteilsfreien Menschen aufzubauen, die offen für fremde Kulturen und Verhaltensweisen sind.
Zur Erarbeitung der Themen soll natürlich der Spaß nicht fehlen, so wird jede Gruppe themenrelevante Einrichtungen und Gegenden besuchen. »Nicht nur das zu behandelnde Thema steht im Mittelpunkt, sondern auch das miteinander reden, diskutieren und planen. Die Teilnehmer können auf diese Weise wertvolle interkulturelle Kompetenzen erwerben und zugleich Freundschaften schließen. Der Summit ist immer in ein Rahmenprogramm – der sogenannten Youth Week – eingebettet, welche den Teilnehmern sowohl die Möglichkeit gibt, Tokyo […] näher kennenzulernen, als auch gemeinsam die Abende zu verbringen.« schreibt Ariane Herold, Studentin im Masterstudiengang Politik Ostasiens an der Ruhr-Universtität Bochum und Gründungsmitglied der DJJG, im Informationsblatt.
Aber es wird wirklich Zeit, dass ich uns endlich ein offizielles Blog einrichte.
Wieso, wie und so – vier Wochen Kostprobe.
Dies ist der Auftakt zu einer mehrwöchigen Reportage über den Besuch eines Furtwangener Studenten in Japan im Rahmen des DJJG-Programms »Hallo Japan 2009«, welches in diesem Blog bereits vorgestellt worden ist. Da die Hochschule Furtwangen University im Schwarzwald keinerlei Japankontakte pflegt, musste diese Alternative von mir ergriffen werden. Ich werde mich nach dem einwöchigen Youth-Summit in Tokyo vor allem in Utsunomiya (宇都宮市) 100km nördlich von Tokyo aufhalten. Nicht nur hier, sondern auch im DJJG-Blog wird berichtet werden.
Gängige Vorurteile wie »Japaner vertragen keine Milch«, »Japaner essen Hunde« oder »Die trinken nur Tee« werden auseinandergenommen – ob zu Recht, wird sich zeigen müssen. Wahr ist, dass sich Japan in den letzten Jahrzehnten stark verändert hat. Vieles, was vor zwanzig Jahren noch galt, ist heute offenbar nicht mehr. So beschreiben die Autoren Karol Kállay, Otto Mann und Wsjewolod Owtschinnikow in ihrem sehr lesenswerten Fachbuch »Tokyo« noch, wie zukünftige Visionen mit der Überbevölkerung in Tokyo und der vorherrschenden Luftverschmutzung umgehen könnten. Heute sind diese und andere Probleme zum Teil gelöst oder nicht mehr existent.
Obwohl oder gerade weil dieses Buch bereits sehr alt ist, bietet es interessante Einblick eine eine zweifelsohne für westliche Begriffe sehr fremdartige Kultur und ihren Wandel in Zeiten der Globalisierung – denn nicht immer war Japan dem Rest der Welt so offen eingestellt wie es heute mehr und mehr der Fall ist. So werden die Lebensbedingungen eines Durchschnittsjapaners beschrieben und die außergewöhnliche Effektivität und Dynamik der japanischen Wirtschaft zur Zeit der Autoren erklärt. Japanischen Eigenheiten und Verhaltensweisen werden vor dem Hintergrund der Kulturgeschichte interpretiert und die Privatshäre der Japaner, die Ausländern meist verschlossen bleibt, erkundet. Umrahmt werden die Eindrücke von Fotos japanischem Alltags abseits ausgetretener Touristenpfade. Dieses Buch war einer der Auslöser, sich noch intensiver mit dem Land zu beschäftigen.
»Japan? Warum?«
Abseits der Touristen werde ich während des Homestay-Aufenthaltes hoffentlich ebenfalls die andere Seite Japans entdecken. Die Bewerbung und die Motivationsschreiben für das DJJG-Programm waren dabei die erste Hürde, die es zu nehmen galt. Doch was ist nun der Grund für diese grenzenlose Affinität zu einem derart fremden Land? Vielleicht ist es die Tatsache, dass ich durch meine polnisch-deutsche Multikulturalität dem Abendland auf bestimmten Ebenen nichts Neues mehr abgewinnen kann. Vielleicht bewegt sich die westliche Kultur auch in Richtungen, die mir nicht gefallen. Jedenfalls ist mir seit geraumer Zeit die japanische Kultur in verschiedenen Lebensbereichen wiederholt begegnet. Häufig erfuhr ich erst hinterher, dass die Zeichnung, die Lampe, die Farbkombination oder ein anderer Gegenstand des alltäglichen Lebens japanischem Ursprungs war. Ich schließe daraus, dass ich einer bestimmten Ästhetik zugeneigt bin, die den Japanern wohl angeboren sein muss.
Japanische Ästhetik
Da ist zum Beispiel das Schriftzeichen, das oft unzählige Bedeutungen haben kann, basierend auf dem Kontext. Da ist die Kunst des Weglassens, des Minimalistischen. »Japaner sind immer freundlich« lautet ein weiteres Vorurteil, welches wohl keines ist. Nicht zu verwechseln mit »Chinesen schauen immer freundlich«. Die Mentalität ist dem westlichen egozentrischen Selbstbild genau entgegengesetzt. Der Japaner ist ständig auf ein harmonisches Kollektiv bedacht und wird stets zuerst an die Nöte und Sorgen seines Gegenüber denken. Man könnte sagen, die Japaner leben von Natur aus die universellen Werte, die das Christentum oft vergeblich versucht, den Menschen einzuimpfen.
Religion ist übrigens ein weiteres interessantes Thema. Die Art und Weise, wie Japan mit Religion umgeht, ist in meinen Augen bewundernswert. Selbst als Religionsverweigerer kommt man nicht umhin, die japanische Einstellung zu Bewundern. Da existieren mit Shintoismus und Buddhismus zwei Religionen friedlich nebeneinander, wobei der Shintoismus in seiner Form als animistische Religionsform und die daraus entstehende Toleranz besondere Erwähnung verdient (Ich verlinke Wikipedia hier nicht zum Spaß).
Ausblick
Es lassen sich noch viele weitere Dinge schreiben, aber dies soll nur der Auftakt zur Reportage »Hallo Japan« werden. Bewusst verschwiegen habe ich an dieser Stelle die Anime- und Manga Subkultur. Sie ist für mich ein weiterer Grund, dieses Land zu mögen. Viele der genannten Aspekte japanischer Kultur spiegeln sich in den Inhalten dieser Subkultur wieder und machen den Einstieg für Fremde einfacher und attraktiver. Das Anime-Referat in Furtwangen und das »Selbststudium« dieser Kunstform – natürlich in Originalton – erlaubte einen ersten Einstieg in die Sprache. Dieser Bereich wird jedoch an anderer Stelle noch ausführlich breitgetreten.
Ein Japankenner sagte mir, der Film »5 cm per second« (秒速5センチメートル) gebe die Atmosphäre Tokyos sehr authentisch wieder. Dass der Film sowohl authentisch als auch atmosphärisch dicht und beeindruckend ist, von der Zeichentechnik ganz abgesehen, kann ich nur bestätigen. In Deutschland ist er jedoch noch nicht erhältlich. Bis ich jedoch echte Fotos posten kann, werden wir uns mit Fremdmaterial und Gezeichnetem begnügen müssen.
Mit Sicherheit wird dies auch zu einer kleinen Analyse führen, wie weit Anime die japanische Kultur realistisch und unverzerrt wiedergeben kann.
Hallo Japan 2009
Die Deutsch-Japanische Jugendgesellschaft e.V. (DJJG) veranstaltet dieses Jahr wieder einen Japanaustausch „Hallo Japan 2009“ (日独ユース・サミット 2009). Die Anmeldungen sind mittlerweile geschlossen. Das Programm besteht aus Jugendbegegnungswoche, Praktikum, Homestay und Touristikprogramm in diversen Kombinationen. Vom 11. August bis zum 14. September wird es hier – läuft alles nach Plan – Berichte und Fotos direkt aus Nippon zu lesen geben.
Unterstützt wird das Programm, welches ausschließlich ehrenamtlich von jungen Menschen auf die Beine gestellt wurde, durch namhafte Institutionen wie dem DAAD, die Japanisch-Deutsche Gesellschaft in Tokyo, das Goethe-Institut Japan, die deutsche Botschaft in Tokyo und Weitere. Obwohl Bewerbungen für das Programm für ein breites Publikum zulässig waren, sind es doch überwiegend Studenten und einige Schüler geworden.
Bei einem Vorbereitungstreffen im Mai im Japanisch-Deutschem Zentrum Berlin konnte sich die Gruppe aus über 100 jungen Teilnehmern aus ganz Deutschland bereits beschnuppern und erste Kontakte aufbauen, bevor es im August dann losgeht. Begrüßt wurden die Teilnehmer von Henning Stöcks (DJJG), Gesa Neuert (Verband Deutsch-Japanischer Gesellschaften) und Takashi Hashimoto (Japanisch-Deutsche Gesellschaft Tochigi). Ebenfalls kamen Grußworte von Seiten des Japanisch-Deutschen Zentrums Berlin sowie der Japanischen Botschaft in Berlin vertreten durch Frau Gesandte Dr. Miyoshi.